Tag 1: Bern-Basel-Prestwick

Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt! Ich habe nicht umsonst in meiner Ankündigung für den Flug geschrieben, dass man in der Fliegerei immer einen Plan B und noch besser einen Plan C haben muss. Wenn man so vorbereitet ist, dann schafft man es in der Regel auch, unterwegs einen neuen Plan D zu entwickeln. Heute war nun wirklich alles nötig!
Conny hat mich auf den Flugplatz gebracht. Eilig hatten wir es nicht und die Stratzeit von 0900 LT war ja doch christlich! Wir waren rechtzeitig auf dem Flugplatz, doch am Schluss wurde es dann doch noch zeitlich eng mit Zollkontrolle, Checks, restliches Material verstauen, etc..! Conny ging dann mit Lukas raus um noch einige Fotos vom Start zu machen. Ich richtete mich im Cockpit ein und holte die Stratup Clearance ein (RAMOK 2S Departure, Z142 Transition Climb FL 080).
Der Motor startete wie immer problemlos… doch… was war das? Von den 8 Menues des MFD waren plötzlich 5 verschwunden. Es blieben nur noch die Terrainwarnung TWAS, CHARTS und die Checkliste CHKLST.  Das war eigentlich nicht gefährlich, doch der grosse Bildschirm ist halt eben doch eine grosse Erleichterung, vor allem im Instrumentenanflug auf einen Flugplatz. Weiter fehlt mit den digitalen Motorüberwachungsinstrumenten auf dem MFD auch der Fuelcomputer, welcher präzise anzeigt, wieviel Treibstoff schon verbraucht worden ist und wieviel am Zielflugplatz voraussichtlich noch übrig sein wird. Auf langen Strecken über einem eiskalten Meer ist dies wesentlich!
Ich hatte dieses Problem in vergangenen Jahren schon und mit einem Reset konnte es immer gelöst werden. Nach einem Soft Reset und zwei Hard Resets ging es wieder und ich rollte mit etwas Verzögerung zum Holding Point Alpha. Nachdem mir das MFD noch zweimal ausstieg, entschied ich mich zum Abbruch und rollte zurück zum Parking!
Der kurze Flug nach Basel
Was nun? Conny würde morgen nach Reykjavik fliegen und wir wollten uns morgen dort treffen. Der kleine Teufel auf der Schulter sagte mir: Hey…, früher hatte man auch keinen grossen Bildschirm und zudem hast Du ja noch das Primary Flight Display, die zwei kleinen Bildschirme der Garmin GTN 650 und noch Backup Instrumente. Sei kein Feigling!
Doch die Vernunft sagt mir, dass ich abbrechen musste. Wieso einen Instrumentenflug mit einem suboptimalen System über riesige Distanzen machen? Was wenn mich dieses harmlose Problem plötzlich so ablenkt, dass ein gröberer Fehler passiert? Nein…, das wollte ich nicht. Die Vernunft hat gesiegt.
Ich habe zuerst den Flugplan annulliert, Conny informiert, mit der Servicestelle in Basel Kontakt aufgenommen, die Handling Organisation informiert, einen neuen Flugplan nach Basel aufgegeben und dann meinen Servicemanager in den USA in den Loop genommen. Als der Flugplan nach Basel bestätig war, startete ich den Motor wieder und war 37 Minuten nach dem ersten Versuch wieder in der Luft und 20 Minuten später in Basel.
Zusammen mit den Technikern in Basel haben wir entschieden, das MFD auszubauen, auf der Testbank anzuschliessen und alles vorwärts und rückwärts zu testen. Alles schien normal. Auch nachdem das MFD wieder eingebaut war, lief es normal weiter.
Nach einer Überschlagsrechnung realisierte ich, das es zeitlich theoretisch noch bis Stornoway reichen würde, aber nur wenn alles rund laufen würde. Da man in Stornoway jedoch in der Regel mit den Hühnern zu Bett geht, hätte es sein können, dass ich dort gelandet und dann im Flughafenareal eingeschlossen gewesen wäre… mit keiner Seele weit und breit.
Ein weitere kleine Kopfrechnung mit Zeitplan und Meteocheck für morgen zeigte mir, dass es relativ stresslos bis Reykjavik BIRK machbar sein würde. Also alles nochmals von vorne: Flugplan aufgeben, Handling und Zoll in Prestwick informieren und organisieren, nach Bestätigung des neuen Flugplans diesen in den iPad übertragen, damit ich die Daten  subito ins Flightmanagementsystem einspeisen konnte, dann das AVGAS bestellt (weil ich wollte, dass die Tanks randvoll sind), das Tanken überwachen, dem Tankwart bei der Bedienung des Kreditkartenterminals für Bezahlung der 25 (!) Liter helfen… und die Sonne brannte glühend heiss auf des Asphalt.
Nachdem ich mein Umfeld über die neue Planung informiert hatte, setzte ich mich ins Cockpit, installierte alles, verlangte die Startup Clearence und erhielt eine Runway 26 Departure mit STRASSBOURG 6Q SID und den Squawk 6734.
Nach einem Backtrack an den Pistenanfang der Piste 26 musste ich eine halbe Ewigkeit in der brütenden Sonne warten. Ich bekam schon Angst, dass meine Cailler Nuss schmelzen könnte. Zum Glück hatte ich kein Ragusa mitgenommen, das wäre schon längs als braune Spur auf die Piste ausgelaufen!
Dann endlich konnte ich Schub geben, war endlich ich in der Luft und bald auf Flightlevel 140 Richtung Nordwesten. Unter mir hatte es eine aufgelockerte Wolkenschicht und es gab somit wenig zu sehen.
Ich nutzte die Zeit um regelmässig die digitalen Benzinstandanzeige zu kontrollieren und mir die Treibstoffmengen zu notieren, damit ich die aktuelle Spritmenge bei einem neuerlichen Systemausfall und anschliessendem einem Systemreset hätte zurücksetzen können. Die verbleibende analoge Benzinanzeige, war mir einfach zu ungenau.
Kaum hatte ich, etwas westlich von Strassburg, die ersten Werte aufgeschrieben, machte es … PLOPP … und wieder waren die 5 MFD Menues weg. OK sagt ich mir…, noch ein Reset, dann habe ich es gesehen und lasse meine Ehefrau alleine nach Reykjavik fliegen! Doch der Reset verlief problemlos und alles lief danach perfekt.
Diese beiden Bildschirme hätte ich noch, wenn das MFD fehlen würde. 
Die französische Küste am Ärmelkanal. Hier im Departement Pas-de-Calais haben die deutschen 1944 mit der alliierten Invasion gerechnet.
Anflug auf Prestwick
Ich startete eine neue Flugroutine: Routen im Flightmanagementsystem nachführen, diese so programmieren, dass alle Änderungen automatisch via Bluetooth auf den beiden iPads gespiegelt würden, laufend Notizen nachführen, regelmässige Messung der Sauerstoffsättigung mit dem Pulsoxymeter.
Dann die nächste „what if“ Planung. Das MFD lief perfekt, doch was wenn es aussteigt? Ich habe für die beiden Displays eine Versicherung und könnte es austauschen lassen. Ich wusste, dass Martin, der Techniker bei Airservice, schon am frühen Morgen als ich ihn über das Problem informiert hatte, die Seriennummer und die Softwareversion herausgelesen hat.  Villeicht müsste ich diese Daten am Zielort haben. Doch bis dann hätte Airservice Basel Feierabend. Also habe ich über den Satellitendatalink mit Conny das weitere Vorgehen geregelt. Sie hat diese Daten organisiert, damit sie schon am Ziel in Prestwick vorhanden wären. In den USA wäre dann nämlich noch Tag und ich könnte über meinen Wartungsmanager in den USA ein Austausch-Display bestellen. Das hat dann alles perfekt geklappt und ich bekam nach einigen Minuten von Conny die Bestätigung, dass alle Daten unterwegs seien.
Der weitere Flug verlief dann problemlos. Aufgrund der Wolkendecke war am Boden kaum etwas zu sehen. Nur über dem Ärmelkanal, über der Themse und kurz vor dem Zielflugplatz riss es auf. Die Lotsen für den Luftraum über London waren wieder unglaublich hektisch.
Kaum hatte ich London hinter mir, wurde es jedoch ruhiger. Der Instrumentenanflug auf den ILS 30 wurden vom Lotsen perfekt aufgegleist und zum ersten Mal habe ich hier in Prestwick eine Landung mit kaum Wind erlebt.
Die Landung in Prestwick wurde zufällig von einem Spotter aufgenommen.
Das Tanken, ging schnell (205 Liter), die Einreiseformalitäten auch und schon sass ich im Taxi und liess mir vom Fahrer die Vorteile des nagelneuen VOLVO Kombi erklären. Ich hatte den Handling Service gebeten im Parkstone Hotel ein Zimmer zu organisieren. Das Parkstone Hotel erinnert mich irgendwie an das Haus meiner Grossmutter. Alles ist fürchterlich alt und „very very british“. Doch es liegt an der Küste und nur fünf Minuten vom Flughafen entfernt.
Nach dem Zimmerbezug war ich schnell am Strand habe etwas gegessen und dann ging es mit den Vorbereitungen für den nächsten Tag los. Am Morgen nach Stornoway, dort die Tanks nochmals füllen und dann weiter über den Nordatlantik. Die erste Hälfte der Strecke würde ich in Instrumentenbedingungen fliegen müssen, dann sollte es aufklaren und Island sollte – einmal mehr – unter Wolken liegen.
LSZB-LFSB-EGPK: Total 726 NM (1’345 Km)

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