D+5: Iqaluit CYFB – Sondrestrom BGSF

D+5: Freitag, 25.7.2014 (Iqaluit CYFB – Sondrestrom BGSF)

Bereits um 0315 Lokalzeit bin ich wieder erwacht, habe zuerst einmal die verfügbaren Wetterinformationen beurteilt und mir dann Gedanken zu den Optionen gemacht. Die Sache mit dem AVGAS gab mir zu denken. Während man hier in Iqaluit noch mit 1’300 $ pro 205 Liter Fass zufrieden war, waren es etwas weiter südlich schon 2’000 $. Da die Cirrus über 300 Liter Sprit fasst hätten da jedes Mal zwei Fässer gekauft werden müssen. Mit dem Sprit den man nicht benötigt, machen die Leute dann wohl im Winter eine Schneemobilparty. Die Fässer waren allesamt schmutzig und jenes womit die N138CR gestern betankt worden ist, war vollständig vom Enteisungsmittel Glykol verschmiert. Der ganze Osten Kanadas versprach die kommenden drei bis vier Tage von grossen Tiefdruckgebieten überzogen zu sein. Dies bedeutete tiefe Wolken, Regen, tiefe Temperaturen, starke Winde und endlose Instrumentenflüge bei denen man ausser Wolken nichts sieht, ständig das Risiko von Vereisung besteht und ich zudem Wucherpreise für den Sprit hätte bezahlen müssen. Wollte ich das?

Ich hatte zuerst die Absicht den Entscheid nochmals 24 Stunden hinaus zu schieben und einen Rundflug um die Baffininsel zu machen. Tiefe Wolken und starke böige Winde mit Spitzen gegen 100 km/h liessen dies jedoch auch keine gute Idee erscheinen. Ein grosses Tiefdruckgebiet das rasch aus Osten näher kam, liess mich dann spontan entscheiden zurück nach Grönland zu fliegen. Das schönste an dieser Reise war ja die Spontaneität die mich jeden Tag die Situation neu beurteilen liess. Ich stand immer sehr früh auf, analysierte in aller Ruhe während vielleicht einer Stunde das Wetter, machte die Tagesplanung und setzte sie dann um.

Das Frühstück war ein Kapitel für sich. Als ich um 0700 als erster in den Speisesaal kam war noch alles schmutzig von gestern Abend. Alle Tische waren verschmiert, es hatte noch Speisereste drauf und die Kellnerin sagte einfach, ich solle mir den saubersten Tisch suchen. Eigentlich eine gute Idee…, dann musste sie nicht putzen und ich als Gast war selber schuld wenn ich einen schmutzigen Tisch hatte!

 Die Auswahl war auch nicht berauschend: es gab Bratkartoffeln, Rührei, undefinierbare Würstchen, schwarzen Kaffee und Orangensaft aus einem grossen und verschmierten 5 Galonen Plastikkanister und kein Brot. Irgendwie wusste ich wieso ich diese Reise alleine machen wollte…!

Ich habe nach dem Frühstück das FBO in Iqaluit CYFB per Mail über meine Absichten informiert, habe ihnen den von Hand geschriebenen Flugplan als Digitalfoto vom iPhone geschickt (man hielt hier nicht viel von Online-Flugplanaufgabe), packte zügig meine Sachen und wurde um 0900 LT zum Flugplatz gebracht. Mein Routing war  DCT YFB DCT KENKI  DCT 6554N05835W DCT SF. Dazu musste ich auf dem Flugplan noch die ungefähren Ankunftszeiten an den einzelnen Waypoints angeben. Das gab noch etwas Rechenarbeit und sah dann so aus: EET/ KENKI 0110 6554N05835W 0203 SF 0340.

Einmal mehr musste ich über die „Strassen“ staunen. Sogar die Hauptstrasse war nicht geteert, sondern einfach eine Mergelstrasse mit unzähligen Schlaglöchern. Kein Wunder sah man hier nur „Trucks“, Geländefahrzeuge und Pickups, die alle verbeult, riesig und schmutzig waren.

Ich wollte um spätestens 1000 LT in Iqaluit abfliegen um sicher vor der Schliessung der Airbase in Sondrestrom Fjord anzukommen und wusste, dass ich mit starken Gegenwinden in der Grössenordnung von 20 bis 45 Knoten zu rechnen hatte und dies war dann auch so!

Überall auf dem Flugplatz waren junge Leute die von einer Pilotenkarriere träumten in schmutzigen Kleidern am Putzen, betanken, Öl auffüllen und bereitstellen von Flugzeugen. Hier lernen sie es auf die harte Tour von der Pike auf!

Ich wollte zur Maschine, doch die Rechnung war noch nicht fertig und man sagte mir ich solle mir doch Zeit nehmen und noch einen Kaffee trinken, es würde nur noch zwei oder drei Minuten dauern. Diese zwei oder drei Minuten kannte ich aus einem anderen Leben…, doch ändern konnte ich es auch nicht. Als dann endlich alles bezahlt war und ich zur Maschine kam, kam schon der erste Helipilot – der mit seinem hinter der Cirrus stehenden Jet Ranger abfliegen wollte – auf mich zu und wollte wissen wie lange ich noch brauche. Kaum fünf Minuten später kam ein Twin Otter Pilot und stellte die gleiche Frage.

Doch ich wollte eigentlich in Ruhe, den Aussencheck machen, Material verstauen, damit alles griffbereit war, Abfälle (Schokoladenpapier zum Beispiel) in den Abfallsack tun, die Scheiben putzen, den Ölstand kontrollieren, alle Papiere bereitlegen, den Glykoltank auffüllen und schliesslich wieder einen Striptease im tosenden Wind machen und den Frankenstein anziehen. Es kam wie es kommen musste…, eben nicht so wie es gerne gehabt hätte.

Kleiner Lapsus: Um 1000 holte ich die in Europa vor Instrumentenflügen üblich Startup Clearance ein und erst dann fiel mir wieder ein, dass man dies in den USA und Canada gar nicht musste. Na ja…, ich war wenigstens höflich. Eine Clearance gab es keine, ich wurde nur aufgefordert zu melden, wenn ich bereit zum Rollen sei. Das ging eine Weile, weil ich nicht wieder in die Database-Falle treten wollte. Ich habe deshalb die relevanten Punkte als User Waypoints im System gespeichert und legte dann die Datacards ATLANTIK für den Zielflugplatz Sondrestrom ein.

Als ich mich dann bereit zum Rollen meldete kam die Aufforderung zum Holding Point A16 (nicht etwa A17 wie es in allen kanadischen und amerikanischen Unterlagen steht) zu rollen. Dann kam die Frage ob ich einen Runup machen wolle. Als ich dies bejaht habe, war der Controller sehr erstaunt, liess mich aber gewähren. Ich hatte immer noch keine Clearance und keinen Transponder Code. Dann konnte ich auf die Piste 16 (nicht etwa 17…, die Kerle scheinen stur zu sein!!!) auflinieren, der Towerlotse sagte mir „Iqaluit 2 Departure, Altimeter 29.81″ (das musste ich wieder auf QNH umrechnen) aber eine eigentliche Clearance gab es immer noch keine und dann ging es los.

Big brother is watching you! Ich wurde beim Start von einem anonymen Fotografen abgelichtet. Auch im hohen Norden kann es einem also passieren, dass man von einem anonymen Spotter fotografiert und aufs World Wide Web gestellt wird.

Es kam dann so wie ich es geahnt habe, die Clearance kam direkt nach dem Abheben und ich wollte doch noch Fotos machen. Zum Glück habe ich einen hervorragenden Autopiloten, der die 30 bis 40 Knoten Seitenwind problemlos meisterte. Es war wirklich eine andere Arte Fliegerei wie bei uns. Einerseits viel professioneller und ich war immer wieder erstaunt mit welcher Coolness an jedes Problem herangegangen wird. Dann aber auch wieder mit einer Nonchalance, die wir Schweizer nur schwer verstehen können.

Ich bekam die Frequenz von Montreal Center 134.55 zugewiesen, kontaktierte diese gleich nach dem Abheben und dort sagte man mir ich solle auf FL 110 steigen und die Route aus meinen aufgegeben Flugplan abfliegen…, 800 Km geradeaus. Probiere das mal in Europa!

Montreal Center gab mich weiter an Arctic Radio auf 126.7. Dort musste ich den ganzen Flugplan mit allen – nun aufaddierten echten Zeiten – herunterrasseln. Das tönte dann so:

Ich: Arctic Radio from Cirrus N138CR, Position

Controller: Go ahead

Ich: Cirrus N138CR, KENKI, Time 1524, FL 110, next 6554N05835W, time 1621, subsequent fix SF

Controller: wiederholt dies alles nochmals

Dies Verfahren werden angewendet, wenn Flugzeuge nicht in der Radarüberdeckung sind und trotzdem gestaffelt werden müssen. Also…, ohne präzise Vorbereitung ist man hier in der One Man Operation am A….! Ich wurde auf der Route dann wieder auf Sondrestroem Information 121.3, Sondrestroem Approach  126.2 und Sondrestroem Tower 118.3 weiter gereicht.

Es gab jedoch noch drei Episoden. Einerseits wollte Sondrestroem Information von mir plötzlich und subito wissen wann die EET (die erwartete Ankunftszeit) bei DME 90 von Sondrestroem sei. Ohne Copiloten und spezielle Systeme geht das nicht und ich musste es halt mit Massstab Karte und Rechner machen. Der Lotse war über die Verzögerung gar nicht erfreut und ich habe ihm klar gemacht dass ich alleine fliege und diese Dinge nicht einfach aus dem System holen könne. Man merkt es, dass sie hier wenig Routine im Umgang mit der Kleinfliegerei haben. Die nächste Episode war dann, als ich 20 Meilen vom Flugplatz entfernt immer noch auf FL 110 war. Ich musste dem Lotsen erklären, dass ich keine Speedbrakes habe und jetzt gerne absinken würde. Zu guter Letzt wollte er mich dann noch mit 25 Knoten Rückenwind landen lassen. Dies habe ich abgelehnt (Das – in englisch – magische Wort mit den zwei Buchstaben = NO) und bin in einem Circling Verfahren gegen den Wind gelandet, so wie es sich gehört.

Kaum den Motor abgestellt wurde es wieder hektisch. Da standen plötzlich drei Fahrzeuge um die Cirrus. Ich trug immer noch den Frankenstein, der Marshaller wollte wissen wann ich morgen abfliege und wohin und ob ich jetzt schon tanken wollte. Der Zollbeamte wollte subito meinen Pass und ich wollte eigentlich zuerst alle Systeme abschalten, Zeiten notieren, den verdammten Frankenstein ausziehen, Ordnung im Flugzeug machen und meine sieben Sachen zusammenpacken! Keine Chance, denn für alle musste alles möglichst rasch gehen.

Ich bin nach der Landung dann noch schnell auf den Tower (Uff ist der hoch!). Dort wurde es kurz etwas laut und nach einem Meinungsaustausch (der Lotse kam mit seiner Meinung und ging dann mit meiner) war die Sache geregelt. Die heutige Bilanz war: 4h Flugzeit, 492 NM (792 Km).

Dass in dieser Region nicht zu spassen ist, zeigen diese Überreste einer von drei T-33 Jet Trainern, die 1968 während einem Schneesturm in Sondrestrom landen wollte (siehe Foto).

Im Hotel habe ich zuerst einmal etwas gegessen und mein Flüssigkeitsdefizit ergänzt. Ich habe heute wieder einmal einen auf „Gesund“ gemacht und in der Kantine einen halben Cheeseburger gegessen. Kein Wunder sind hier alle Leute etwas rundlich! Im Hotelzimmer funktionierte dann der Internetzugriff nicht und dies konnte erst nach einem halbstündigen Telefon mit der Helpline in Portugal des WLAN-Anbieters (SWISSCOM!) behoben werden. Es war ein Fehler in der Schaltung im Hotel. Ja und danach…? Danach stieg ich in die Routenplanung für den morgigen Tag.

 

 

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