Tag 2: Prestwick-Stornoway-Reykjavik

Ich hatte wunderbar geschlafen, doch in meinem normalen Rhythmus bin ich wie immer um 0500 in der Früh erwacht. Ortszeit in Prestwick war es 0400. Mit Schlafen war natürlich nichts mehr. Ich habe wie jeden Tag die aktuellen Zeitungsschlagzeilen aufgesaugt und habe dann das aktuelle Wetter für die beiden kommenden Tag beurteilt.

Der heutige Tag schien ein Piece of Cake zu werden… falls die Avionik mitspielen würde. Ich stellte alle Wetterdaten zusammen, legte sie auf beiden iPads und dem Smartphone ab und detaillierte den Zeitplan für den heutigen Tag nochmals. Dann kam die Beurteilung des morgigen Tages. Die Grobübersicht auf dem GRAMET zeigte Nebel an der grönländischen Ostküste. Für die geplante Foto-Landung in Kulusuk sah es also nicht gut aus. Doch auch der direkte Flug über das Iceshield war durch Wolken mit tiefen Temperaturen bis auf FL 180 blockiert. Die Wolken zu überfliegen war mit der Cirrus nicht möglich, weil ohne Turbolader bereits bei FL 175 fertig ist. Da zudem in westlicher Richtung nur auf Flugflächen mit geraden Dezimalstellen geflogen werden darf, bedeutet dies eine maximale Flugfläche von FL 160.

Ich entschied zu warten und die Lage heute Abend bzw. morgen früh neu zu beurteilen. Somit war es wichtig, nach der Landung in Reykjavik sofort alle Vorbereitungen für den Weiterflug zu treffen.

Wie vereinbart holte mich um 0625 Lokalzeit (0525 UTC bzw. 0725 MESZ) das gestern bestellte Taxi ab und brachte mich in fünf Minuten  auf den Flughafen. Zwei verschlafene, aber coole, junge Typen haben den Papierkrieg erledigt. Ich musste höllisch aufpassen, dass ich den fürchterlichen schottischen Slang verstanden habe.

Dann ging ich zur Cirrus, machte den Aussencheck, richtete das Cockpit ein und machte mich mit den Abflugverfahren in Prestwick vertraut. Etwas irritierend war, dass ich nach Norden wollte, jedoch alle drei Abflugverfahren nach Süden zeigten. Ich war gespannt.

Die ATIS-Frequenz war tot, dafür war dann die Startup Clearance knackig kurz: NGY 1K Departure, cleared initially to 6’000 ft. Den Rest versprach man mir dann zu sagen, wenn ich auf der Piste aufliniert war. So war es dann auch…, ich bekam 30 Sekunden vor dem Start noch den Squawk.

Kurz nach den Start auf der Piste 30 um 0716 UTC bekam ich einen left turn zum GOW (Glasgow) VOR und die Bewilligung auf FL 100 zu steigen. Wenige Minuten späten erhielt ich dann einen Direct (direkten Kurs) zum STN VOR in Stornoway. Natürlich kam auch die obligate Frage in England:“What Service do you request“.

In England unterscheidet man zwischen „Basic“, „Traffic“, „Deconfliction“ und „Procedural“ -Service. Dies sind die vier verschiedenen, in England grundsätzlich verfügbaren Fluginformations-Dienste („service levels“). Es ist also in England nicht ausreichend, sich einfach mit Rufzeichen, Typ, etc. bei FIS, Approach, o.ä. zu melden, sondern man muss auch mitteilen, was für einen Dienst man erwartet bzw. erbittet. Genauso wird erwartet, dass man stets den dann angebotenen service level per wörtlichem Readback bestätigt. Der Basic Service besteht nur darin, dass grundsätzlich einmal Funkkontakt herrscht, man also einen Ansprechpartner hat, ein regionales QNH bekommt und im Fall gefährlicher Erscheinungen o.ä. gewarnt wird. Man bekommt allerdings in der Regel keine radar-basierten Verkehrsinformationen und – wichtig – wird auch nicht unbedingt von ATC gewarnt, falls man versehentlich in kontrollierten oder gesperrten Luftraum einfliegt! Im Gegenzug hat der Pilot beim Basic Service maximale Autonomie, d.h. er kann ohne Freigabe oder Absprache z.B. seine Route oder Flughöhe ändern (es sei denn, es wurde mit dem Controller etwas anderes vereinbart). Basic Service kann man sowohl bei VFR-Flügen (Sichtflügen) als auch bei IFR-Flügen (Instrumentenflügen) in Anspruch nehmen; bei IFR in IMC-Bedingungen (Instrument Meterological Conditions) ist es aber, da dann natürlich kein see-and-avoid funktioniert, natürlich besser, zwecks Verkehrsinformationen oder Ausweichempfehlungen einen „höheren“ Servicelevel in Anspruch zu nehmen. Basic Service kann sowohl von mit Radar-ausgestatten als auch von nicht mit Radar ausgestatten Stationen erteilt werden. Es kommt gelegentlich vor, dass auch erstere nur einen Basic Service anbieten, z.B. wenn der Lotse für mehr in dem Augenblick keine Zeit hat.

Ich habe diesen „Basic Service“ gewünscht, was – wie gesagt – bedeutet, dass ich im unkontrollierten Luftraum frei war, wo ich hinflog, jedoch selber verantwortlich war, keine Luftraumverletzungen zu machen.  Abgesehen vom Slang der schottischen Controller war dies alles sehr entspannt.

Unterwegs hatte es eine aufgelockerte Bewölkung, die nur zwischendurch den Blick auf eine wunderschöne Landschaft freigab. Südlich meines Ziels Stornoway war dann ein geschlossener Wolkendeckel. Über dem Meeresarm vor Stornoway bekam ich von Scottish auf 127.275 MHz die Clearance zum Sinkflug. Selber – ohne Radarüberwachung und damit ohne Warnung bei einem Fehler – abzusinken ist gewöhnungsbedürftig, doch wenn man die Karten genau studiert problemlos.

Im Anflug in und unter der Wolkendecke hat es in Strömen geregnet. Alles war grau in grau. Doch plötzlich sah in der Ferne den Flugplatz, der in herrlichen Sonnenschein getaucht war. Ich habe um einen Sichtanflug über die Bucht gebeten und diesen auch sofort bekommen.

Um 0836 UTC bin ich Stornoway gelandet. Zwei freundliche junge Burschen haben mich in Empfang genommen und die Cirrus speditiv betankt. Bezahlt wurde direkt beim Tankwart auf dem Apron. Anschliessend ging es ins Terminal-Gebäude, wo ich die Handlinggebühren bezahlen musste und danach zum Tower wo es um die Bezahlung der Landegebühren ging. Spannend ist in Stornoway, der grüne «Fussgängerstreifen» über den Rollweg. Diesen Rollweg darf man als Fussgänger nur überqueren, wenn die Ampel am Tower auf grün geschaltet ist.

Nun hatte ich noch eine Stunde Zeit um das Wetter einzuholen und mich mit dem Weiterflug nach Reykjavik vertraut zu machen. Im Tower war eine riesige Aufregung. Eine amerikanische Pilotin, welche zusammen mit ihrer Tochter ihre zweimotorige Piper Seneca nach einem einjährigen Europaufenthalt zurück in die USA brachte, hatte all ihre Dokumente in Stornoway vergessen. Man bat mich, ihr diese nach Reykjavik zu bringen.

Mein erster Gedanke war, dass die Damen früher ihre Taschentücher haben fallen lassen, damit die Herren der Schöpfung diese aufnehmen und so ihr Interesse beweisen konnten. Wenn die Dame nun aber gleich alle Ausweise und Kreditkarten liegen lässt und hofft, dass man ihr diese nach Reykjavik nachfliegt, dann sind wir doch in einer neuen Dimension angekommen.

Ich zog dann meinen «geliebten» wasserdichten und isolierenden Überlebensanzug, von mir – wegen den vielen Reissverschlüssen – Frankenstein genannt, an und klemmte mich damit ins Cockpit. Die Flugwetterdurchsage (ATIS) in Stornoway muss man auf der Frequenz des Stornoway VOR’s abhören. Nachdem ich das gemacht hatte, holte ich die Clearance ein, die simpel einfach war. Ein Abflugverfahren gab es nicht. Man gab mir einfach die Piste 18, das QNH (Luftdruck) von 1018 mb und dann eine Rechtskurve nach den Start zum ersten Fixpunkt der Route – BARKU.

Um 1049 UTC bin ich 11 Minuten vor dem Zeitplan gestartet, stieg zuerst auf FL 100 (3’000m) und als ich dann sah, dass ich schon über den Wolken war, verlangte ich FL 140 (4’200m). Die Route war mit BARKU – RATSU – ALDAN – ASRUN – EN einfach.  Nur kurz hatte ich in einer Wolkenbank etwas Vereisung, welche jedoch durch das Enteisungssystem der Cirrus schnell weggeputzt war.

Da ich mit dem in der Cirrus eingebauten Satellitendatalink die grafische Wetterdarstellung westlich von Island nicht bekommen kann, habe ich meinen sekundären Datalink getestet, welcher die Meteodaten via Bluetooth auf den iPad beamt. Dies alles verlief problemlos.

Da man über dem Nordatlantik oft nicht mehr in der Radarüberdeckung ist, wird die Luftlage von den Bodenstellen über Positionsmeldungen der Piloten zusammengestellt. So eine Positionsmeldung sieht dann zum Beispiel so aus:

Reykjavik Control from N138CR, Position

N138CR go ahead

N138CR position RATSU, time 1217

FL 140

Speed (KTAS) 165 Knots

Estimating (next waypoint) ALDAN, time 1409

Next ASRUN

Ops normal

Dies sollte dann eines Tages einmal überflüssig warden, wenn sich mit dem sogenannten ADS-B System die Satellitenüberwachung der Flugzeugpositionen durchgesetzt hat.

Vor dem Waypoint BARKU erhielt ich dann meine Oceanic Clearance die eigentlich nur eine Wiederholung des Flugplans war.

Die Westmännerinseln

Vor dem Waypoint ALDAN kam ich für eine halbe Stunde wieder in die Radarüberdeckung, was man mir auch mitgeteilt hat. Dort gab es dann auch einen neuen Squawk (Transpondercode). Kurz vor den Westmännerinseln kam ich dann wieder in die Radarüberdeckung. Dann war auch endlich die Wolkendecke über dem Atlantik weg und man sah das tiefblaue Meer.

Zum ersten Mal habe ich heute etwas von Island gesehen. Sonst lag die Insel immer in Wolken. Ich durfte absinken – zuerst auf FL 100, dann auf 6’000 ft und schliesslich auf 4’000 ft. Zwischen der Südküste Islands und dem Flughafen von Reykjavik hatte es aber noch Wolken. Ich wurde mit Vektoren an einen RNAV Anflug auf die Piste geführt und etwa fünf Minuten vor der Landung gab man mir die Piste 01. Ich war immer noch in den Wolken, habe nichts gesehen und war dann etwas erstaunt, als man mir einen Sichtanflug auf die Piste 01 anbot. Diesen habe ich angenommen, kam zu den Wolken raus und sah Reykjavik im strahlenden Sonnenschein.

Auf der Towerfrequenz konnte ich mich nicht melden, weil minutenlang ein isländisches Palaver im Funk war. Als ich mich endlich durchsetzen konnte, war ich einen Kilometer vor dem Touchdown. Der Controller ist darüber so erschrocken, dass er mir einen 360 (Vollkreis) nach rechts gab, den ich dann tief über dem Meer geflogen habe, um etwas mehr Distanz zwischen dem kleinen Cessna 150 Schulflugzeug und mir zu schaffen.

Von der Pistenlänge habe ich wegen dem starken und frischen Wind nicht viel gebraucht und rollte dann zum Parking für die General Aviation. Dort hat mich jemand mit einer Leuchtweste eingewiesen. Motor abstellen, Türe öffnen, Luft schnappen und endlich aus dem Frankenstein raus…, das waren meine ersten Gedanken.

Denkste…! Seit Juni gibt es zwei konkurrierende Handlingfirmen und es kam fast zu einer Prügelei auf dem Vorfeld, weil jeder gemeint hat, ich sei sein Kunde. Nach längerem Palaver habe ich dann herausgefunden, dass die Handlingfirma A gemeint hat, dass ich bei ihnen auch das Handling mache, wenn ich schon die Tasche der Amerikanerin – welche dort Kundin war – bei ihnen abgebe. Und der andere von der Handlingfirma B hatte den offiziellen Auftrag von Whiterose Aviation, welche für mich die Logistik plant.

Der Zoll stand auch schon bereit und ich steckte immer noch im Frankenstein. Nachdem auch diese Formalitäten erledigt waren, wollte die Handlingfirma, dass ich sofort ins Büro komme um den Papierkrieg zu machen. Da habe ich dann ein Timeout angeordnet, mich aus dem Frankenstein geschält, alle meine Papiere geordnet und dann etwas Struktur ins ganze gebracht.

Zuerst rollte ich zur Tankstelle, weil ich bereit sein wollte, um morgen allenfalls früh weiter fliegen zu können. Doch dort herrschte Chaos, weil jeder tanken wollte. Immerhin lernte ich dort Jennifer, die Amerikanerin kennen, die ihre Dokumente in Schottland vergessen hatte. Nach dem Tanken konnte ich wieder zurück zum General Aviation Parking rollen, habe ich mit der Handlingfirma den Papierkrieg erledigt und im Hotel auf Conny gewartet, die heute mit dem Airliner nach Reykjavik gekommen ist.

Distanz 796 NM (1’474 Km), Durchschnittsgeschwindigkeit 305 Km/h

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