Tag 8: Iqaluit-Sondrestroem

Nachdem ich am Vorabend fast eingeschlafen war, weil es Stunden gedauert hat, bis die Fotos für den Blog hochgeladen waren, habe ich am Morgen doch tatsächlich bis um 0530 LT geschlafen, was ausserordentlich lange ist für mich. Zuerst habe ich nochmals das Wetter gecheckt. Es sah definitiv nach Vereisung aus, doch mit der relativ geringen Flugfläche von FL 110 müsste ich möglichst wenig Zeit in den Wolken verbringen. So habe ich einen Flugplan mit der Route YFB KENKI IKNOG GIGOM SF aufgegeben mit einer Startzeit von 1000 LT (1400 UTC).

Auch die Stromspannung bzw. die Frequenz des Stroms im Hotel machten Probleme und so konnte ich meine beiden Akkus (Powerpacks) nicht vollständig laden. Doch das Frühstück liess mich positiv überrascht zurück. Ich hatte ein wunderbares Joghurt mit Früchten und einen guten Orangensaft, der nicht aus dem 50 Liter Kanister kam.

Um 0830 sollte ich abgeholt werden. Fünf Minuten vorher stand ich vor dem Hotel und schaute fassungslos dem zu, was sie hier Autos und Strassen nannten. Es pfiff wieder ein eiskalter starker Wind und es war laut und staubig. Die Temperaturen waren etwa so, wie bei uns an einem sonnigen Tag Ende November. Hoch am Himmel hatte es einige Schleierwolken und mich fröstelte trotz der Jacke.

Wo blieb denn mein Fahrer… Donnerwetter?! Ich entschied, um 0840 aktiv zu werden und blieb vorsichtshalber so nahe beim Hotel, dass ich noch vom WLAN profitieren konnte. Telefonieren war immer noch unmöglich. Eine Minute vor dieser Deadline bekam ich folgendes Mail: «Hello John I’m outside the Frobisher Inn in the White Chevy Van with our logo on the side.» Ich nahm an, dass ich mit dem John gemeint war und nicht mein Grossvater, den ich so nannte!

Ich machte den Schreibenden dann darauf aufmerksam, dass ich nicht im Frobisher, sondern im Discovery war! Zwei Minuten später war er da und hat mir auf der Fahrt zum Flughafen erklärt, wie das mit den AVGAS-Fässern läuft.

Also: Die UQSUQ Company sitzt in Iqaluit auf diesen Fässern und verkauft sie an jeden der will nach dem Motto «First come, first serve». Die UQSUQ Company gehört zum SHELL-Konzern und der lokale Chef von UQSUQ ist «very busy» und muss den ganzen Tag herumrennen, so dass er nicht einmal dazu kommt, zu schauen, ob es irgendwo ein Fahrrad hat..!

Die Leute vom FBO kaufen bei USQSUQ die Fässer und machen noch einen Zuschlag, an dem sie auch noch schön verdienen. So sind bei mir 2014 die 1’300 pro Fass zusammen gekommen! Nun hat mir mein Fahrer, der stellvertretende Chef des FBO’s, lang und breit erklärt, dass dies der Grund sei, wieso sie keine Fässer reservieren können. Ich konnte dies nicht nachvollziehen und habe gefragt, wieso sie denn nicht einen Deal mit UQSUQ machen, wonach jeder seinen Sprit reservieren könne und das Fass dann 72 oder von mir aus 96 Stunden verfügbar ist. Die Kosten werden gleich bei der Bestellung auf der Kreditkarte verrechnet. Wer zu spät kommt, verliert sein Fass und damit sein Geld.

Er meinte, dies sei nicht ihr Geschäftsmodell und ich habe mich gefragt, ob das Geschäftsmodell darauf basiert, Flugzeuge in Iqaluit ankommen zu lassen und den Piloten dann zu sagen, es habe kein AVGAS. Wenn diese dann lange genug geschmort haben, zahlen sie jeden Preis für ein Fass!

Ich hatte zudem das Pech, dass ein historisches Wasserflugzeug aus dem 2. Weltkrieg – eine Grumman Albatros – gekommen sei, das gleich 17 Fässer gebraucht hat und dann blieb eben nichts mehr übrig. Bilanz von meinem Fahrer: Das sei halt höhere Gewalt und man könne dies nicht beeinflussen.

Damit war ich natürlich nicht zufrieden. Man hatte mir ja schriftlich versprochen, dass ich mir keine Gedanken machen müsse und genug Sprit da sei. So machen sie beide Betriebe kaputt, weil kein Pilot mehr planen kann.

Ein längerer Aufenthalt in Kanada war auch für mich nicht möglich, weil es auf unbestimmte Zeit keinen Sprit mehr gab…, gar keinen! Ich konnte also nicht noch irgendwo hinfliegen, weil ich auf dem Rückweg ja wieder in Iqaluit an der Road to nowhere vorbeikommen musste. Deshalb flog ich heute zurück nach Søndrestrøm BGSF.

Auf dem Flugplatz musste ich noch kurz mit dem AFIS telefonieren, weil sie die Angabe im Flugplan mit der ungefähren Einflugzeit EET in den Luftraum von Søndrestrøm beim Waypoint GIGOM wissen wollten. Ich habe dies ausgerechnet und durchgegeben.
Dann ging ich zur Maschine, richtete alles ein, machte den Aussencheck und ging dann zurück ins FBO um den Frankenstein anzuziehen. Wieder musste mir jemand helfen, weil ich meine gebrochene Hand unmöglich durch die engen Handgelenksmanschetten hindurch gebracht hätte.

Meine Hand hatte ich immer noch getaped und konnte alles einigermassen schmerzlos machen, was nicht mit grosser Kraftanstrengung verbunden war. Die Schwellung war weiter zurückgegangen, die Sensibilität war vollständig vorhanden, Fliegen ging recht gut, wenn die Maschine immer gut ausgetrimmt war. Was nicht ging war das Tragen von schweren Lasten oder eben die Geschichte mit dem Anziehen des Frankensteins.
Ich ging zu Fuss im Frankenstein zur Cirrus, schnallte mich an und startete den Motor. Eine Startup Clearance wie bei uns gibt es weder in Kanada noch in den USA. Am Abstellplatz habe ich den Runup und den Check for Takeoff gemacht, meldete mich dann ready, bat um die Clearance und wünschte die Piste 16. Nach der Frage des Controllers, ob ich denn gleich gehen könne, sagte ich ihm «yes, ready to go, but I need your clearance!»

Diese lautete dann “Runway in use 16, Altimeter 2985, Iqaluit 2 departure, after departure contact Montreal Center on 134.55…”.

Dann konnte es losgehen, ich rollte zum Holding Point 16 ALPHA, bekam die Starterlaubnis und um 0959 LT (1359 UTC), hob sich die Cirrus  mühelos in die Luft.

Ich machte noch einige Fotos, kontaktierte Montreal Center und dann begannen die Leuchtdioden in den Druckknöpfen des MFD’s an zu flackern. Irgend etwas stimmte da gar nicht, doch verwundern konnte mich nichts mehr. Ich machte einen Reset, indem ich die Sicherung zog, doch beim neuerlichen Hochfahren des Systems erhielt ich die Meldung «engine sensor unit is not communicating». Ja…, tatsächlich waren alle digitalen Motordaten weg. Zum Glück hat die Cirrus jedoch noch analoge Instrumente als Backup. Die Kartendarstellung funktionierte im Gegensatz zum Abflug auf meiner Reise jedoch hervorragend. Es fehlte aber der Benzinverbrauchscomputer, welcher mir immer sagte, wie viel Sprit ich am Zielort noch haben würde. Das war jetzt alles weg und ich hatte nur noch die analoge und ungenaue Treibstoffanzeigen.

Die Kartendarstellung funktionierte im Gegensatz zum Abflug auf meine Reise jedoch hervorragend. Es fehlte aber der Benzinverbrauchscomputer, welcher mir immer sagte, wie viel Sprit ich am Zielort noch haben würde. Das war jetzt alles weg und ich hatte nur noch zwei analoge und ungenaue Treibstoffanzeigen.

Als ich aus der Funkreichweite der Kanadier kam, studierte ich alle Manuals um herauszufinden, ob es noch einen externen Engine Sensor geben würde, doch ich fand nichts. Mein Plan war klar: Sofort nach der Landung meinen Wartungsmanager bei SAVVYMX in den USA informieren und abklären, ob man ein neues und – vor allem – richtig konfiguriertes MFD nach Reykjavik schicken könne um den Austausch dort vorzunehmen.

So flog ich weiter, Backupsysteme hatte ich für diesen Flug genug und mehr als genug Reichweite. Als ich dann die Gebirge im Norden der Baffin Island überflog, kam ich in Vereisungsbedingungen. Innert Sekunden vereiste die Frontscheibe und grobkörniges Eis, begann sich an der Flügelvorderkante anzusetzen. Ein Knopfdruck und das Enteisungssystem putzte jedoch alles weg.

Der ganze Spuk war nach etwa zwei Minuten vorbei und ich flog weiter in die Davis Strait hinaus. Im Funk war es still, denn ich war viel zu weit von allen Bodenstationen weg. Ich habe meine Cailler Nuss gegessen und freute mich einerseits an den wunderbaren Eindrücken, doch auf der anderen Seite ratterte mein Gehirn schon das Prozedere für den Austausch des MFD’s durch.

Als ich in die Nähe des Waypoints GIGOM kam, hörte ich einen Air Greenland Airliner mit dem Rufnamen «Taxi 503» im Funk. Er erhielt den Auftrag Relais für mich zu spielen, weil ich noch zu weit weg von Nuuk Information entfernt war. Nuuk Information wollte wissen, wann ich beim Waypoint GIGOM sein würde. Dies habe ich schnell auf dem Flightmanagementsystem ablesen können. Dann wollte die Controllerin jedoch auch noch wissen, wann genau ich denn den vorgängigen Punkt IKNOG überflogen hätte. Da musste ich zwei Minuten verlangen um dies zurück zu rechnen. Lehre daraus: Auch wenn man keine Funkverbindung hat, immer die Überflugzeiten bei den Waypoints notieren.

Auf der Frequenz 120.3 MHz war die Verständigung dann bald gut. Ich konnte auf Søndrestrøm Approach wechseln, bekam Vektoren für einen VOR DME Approach auf die Piste 09 und konnte auf 7’000 ft absinken.

Als ich aus den Wolken kam, lag mir die gespenstisch schöne Landschaft des Søndrestrøm Fjords zu Füssen. Ich sah die Piste von weitem, cancelte den IFR Flugplan und machte einen langen Sichtanflug auf die Piste 09 mit 15 Knoten Rückenwind. Um 1647 UTC berührten die Räder der Cirrus den grönländischen Boden wieder. Die 487 NM (902 Km) wurden in 2h48’ zurück gelegt, was eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 174 Knoten ergibt (322 Km/h).

Es war eiskalt in Søndrestrøm. Ein eisiger Wind pfiff mir um die Ohren, als ich auf den Tankwart wartete. Ich liess die Maschine sofort füllen, um morgen maximale Flexibilität zu haben. Dann brachte man mich zum FBO wo ich René Hoff wieder traf und er brachte mich ins Hotel.

Ich habe eingecheckt, zuerst alle meine Geräte an den Strom gehängt und ein kurzes Meteobriefing gemacht, damit ich Mike von Whiteroseaviation informieren konnte. Die drei Optionen für morgen schauen jetzt so aus:

  1. Überquerung des Icecaps nach Reykjavik: Dies wird wohl unmöglich sein, weil zwei Tage schlechtes Wetter herrschen wird mit Vereisungsbedingungen bis über FL 200 hinaus. Die Cirrus kann diese Höhe nicht übersteigen.
  2. Warten: Wenn nicht ein Wunder passiert, wird es erst am Samstag wieder gehen, direkt nach Reykjavik zu fliegen.
  3. Morgen Donnerstag von hier nach Narsarsuaq zu fliegen und am Freitag mit Auftanken in Kulusuk nach Reykjavik zurück zu fliegen.

All diesen Optionen musste auch die Sache mit dem defekten MFD gerecht werden!

Dann nahm ich einmal eine heisse Dusche, zog frische Wäsche an, ging etwas essen und klemmte mich dann hinter die Fotos.
Wer jetzt das Gefühl hat, dass mein Flug purer Stress sei, der täuscht sich. Erstens muss man einen Unterschied machen zwischen Ferien und Reisen. Mein Flug gehört eindeutig in die Kategorie Reisen. Zweitens ist es eine Lebensschulung. Es ist normal, dass wir während unseres ganzen Lebens Hindernisse aus dem Weg räumen müssen, um dorthin zu kommen, wo wir hin wollen. Damit hat mein Flug eine philosophische Komponente, welche dadurch verstärkt wird, dass man wirklich auf sich alleine gestellt ist und sich alleine durchsetzen muss. Fliegerisch ist es anspruchsvoll. Den Nordatlantik darf man nie auf die leichte Schulter nehmen, andernfalls verschafft er sich Respekt. Von dem her lerne ich jeden Tag unendlich viel, geniesse die Erlebnisse und bin gezwungen, mich vollständig aus meinem Alltag auszuklinken.

Interessant, wenn man von hier aus einen Ausflug machen will: das nächste Ziel is der Nordpol…!

Um 1700 LT hat der Flugplatz zugemacht. Die Aufnahme wurde drei Stunden später gemacht. Wenn ich erst um 1705 angekommen wäre, hätte ich 1’500 $ Strafe bezahlen müssen…! Irgendwie verstehe ich diesen Mechanismus nicht!

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