D+7: Reykjavik (BIRK) – Prestwick (EGPK)

D+7: Samstag, 15.7.2017 (BIRK Reykjavik – EGPK Prestwick)

Dunkel wurde es natürlich die ganze Nacht nicht. Als ich um 0400 UTC (= Ortszeit in Reykjavik) einmal zum Fenster rausgeschaut habe, bot sich aber trotzdem ein phantastisches Lichterspiel am Horizont.

Manchmal schien die Sonne, dann war es wieder düster wie kurz vor dem Weltuntergang und hat horizontal geregnet.

Reykjavik wie es leibt und lebt.

Ich war gut vorbereitet. Den Flugplan hatte ich gestern schon aufgegeben und ihn auch bestätigt bekommen. Ich ging schon um 0630 UTC frühstücken, habe dann in Ruhe meine sieben Sachen zusammengepackt, die aktuellsten Kartendaten auf einen USB-Stick heruntergeladen, im Hotel ausgecheckt, dem Handlingservice meinen Obulus entrichtet, das Cockpit eingerichtet und so musste ich nur noch den Frankenstein anziehen, damit ich um 1000 UTC abfliegen konnte.

Da es wieder einmal in Strömen geregnet hat, habe ich mich ausnahmsweise in den Büros der Handlingfirma umgezogen, die Schwimmweste umgelegt und ging dann zur Maschine. Endlich war ich angeschnallt und es konnte losgehen.

Doch mein erster Aufruf bei Reykjavik Ground hinterliess mich fassungslos. Sagte mir der Herr vom Tower doch, er hätte keinen Flugplan von mir und ich solle doch „schnell“ einen neuen aufgeben gehen. Ich sah mich schon wieder aus dem Cockpit kriechen und zurück zum Handlingservice gehen. Besonders frustrierend war, dass ich die genau gleiche Geschichte vor drei Jahren am gleichen Ort schon erlebt hatte. Nachdem ich damals einen neuen Flugplan aufgegeben hatte, war das Chaos vor dem Abflug perfekt, da plötzlich zwei Flugpläne von mir vorhanden waren. Ich habe den freundlichen Herren im Turm nochmals darauf aufmerksam gemacht, dass ich eine schriftliche Bestätigung von Eurocontrol hätte. Danach war im Funk etwas Ruhe, bis man mir dann gesagt hat, es sei tatsächlich ein Flugplan da!

Die aktuelle Windprognose vor dem Start, liess auf eine kleine Rückenwindkomponente hoffen, welche dann am Schluss zu einer Enormen Querwindkomponente von über 50 Knoten anwachsen sollte. Es stellte sich die Frage, ob diese Querwindkomponente leicht von vorne oder leicht von hinten kommen würde.

Gestartet bin ich dann von der Piste 19 nach Süden und verschwand bald in den tief hängenden Regenwolken.

Nur selten war es während des Steigflugs möglich, einen Blick auf den Boden zu erhaschen.

Bald hat man mir eine neue Route gegeben und es ging schon früh von der Küste weg ins offene Meer hinaus. Von der Insel sah man kaum etwas, nur hier an diesem Küstenstreifen, offenbarte ein Loch in der Wolkendecke einen Blick auf den Boden. Mir ging kurz durch den Kopf, dass Island eigentlich Grönland heissen sollte und umgekehrt. Die beiden Inseln sind nicht zu vergleichen. Island ist extrem grün im Sommer und Grün- oder Grönland geprägt durch Schnee und Eis.

Die ersten 80 Prozent des Fluges verliefen wie erwartet über einer Wolkendecke. Eine anständige Rückwindkomponente schob mich rasch vorwärts. Da lachte doch das Fliegerherz.

Doch immer wieder habe ich auf dem Datalink einen Blick nach Prestwick geworfen. Ein Sturmgebiet fegte dann über Schottland, als ich in Prestwick ankommen sollte. Während die Windgeschwindigkeit am Boden zu Beginn noch bei 6 Knoten lag, stieg sie langsam auf 14 Knoten an. Doch das konnte man ja noch alles bequem handeln.

Die letzte Stunde des Fluges wurde dann aber zur Geduldsprobe. Ein Wind von zum Teil 60 Knoten und mehr, bremste mich unglaublich ab. Zum Glück hatte ich sehr konservativ mit grosszügigen Spritreserven gerechnet. Ich war nun vollkommen in IMC (in den Wolken) und die Cirrus hat es unglaublich durchgeschüttelt. Für mich war es kaum vorstellbar, dass es bei solch starken Winden am Boden nur mit 14 Knoten blasen sollte.

Nachdem man mich auf 4’000 Fuss heruntergeholt hatte, wurde ich mit Vektoren auf den Instrumentenanflug der Piste 30 gelotst. Doch als ich dann endlich auf dem Instrumentenanflug aufliniert war, zeigte der Windvektor auf meinem PFD (Primary Flight Display) nicht 14 Knoten aus 230 Grad, sondern 37 Knoten aus 254 Grad. Kurz vor der Piste meldete der Controller dann 28 Knoten mit Böen bis 41 Knoten. Um nach einem derart langen und anstrengenden Flug nochmals alles geben zu können, muss man sich in der Regel schon etwas klemmen.

Hier nochmals das METAR des Flughafens mit 14 Knoten aus 230 Grad.

Und hier der Windvektor auf dem PFD welcher 37 Knoten aus 254 Grad anzeigt.

Da Prestwick eine derart lange Piste hat, ist alles gut gegangen, ein Follow-me Fahrzeug stand bereits am Pistenrand und lotste mich zum FBO Prestwick Aviation Services. Kaum habe ich die Türe der Cirrus aufgemacht kam schon ein baumlanger Typ, hat Radschuhe ans Bugrad angelehnt, die vermutlich noch aus dem zweiten Weltkrieg von einem Bomber stammten und für die kleinen stromlinienförmigen Räder der Cirrus viel zu gross waren. Er palaverte etwas, das ich nicht verstanden habe. Zuerst habe ich gemeint, es sei ein Spanier mit schlechten Englischkenntnissen, doch mit der Zeit begann mir zu dämmern, dass es sich hier um einen starken schottischen Akzent gehandelt hat.

Ich wollte mich aus dem Cockpit schälen, doch das war unmöglich und schon lief die Tankerei. Da ich nicht im strömenden Regen eine Auslegeordnung der Überlebensausrüstung auf dem Vorfeld machen wollte musste ich im Frankenstein ausharren, wurde von innen nass, weil ich so geschwitzt habe und von aussen durch den Regen. Als der Schotte dann sofort den Papierkrieg machen wollte, habe ich ihn abgewürgt und ging mich erst einmal umziehen.

Viel läuft hier nicht!

Die Schweisstropfen auf der Oberlippe zeugen von meiner Verärgerung.

Ein Fahrer hat mich dann ins Hotel gebracht. Dort war eine riesige schottische Hochzeitsgesellschaft. Die Damen alle in High Heels und die Kleider im Durchschnitt zwei Nummern zu klein. Schon um 1700 Ortszeit war die Hälfte der Gäste betrunken, sass auf dem Boden, die High-Heels irgendwo und alles begleitet von einem unglaublichen Lärm. So etwas habe ich jetzt gerade noch gebraucht.

Ich wollte etwas Kleines essen und dann kam so ein Monster! 2/3 musste ich zurück lassen…! „Gemüse“ und „vegetarisch“ scheinen hier Fremdwörter zu sein…!

Und heute:

Flugdauer: 5h20’
Distanz: 784 NM (1’452 Km)
AVGAS-Verbrauch: 226 Liter
Durchschnittsgeschwindigkeit: 152 Kts (282 Km/h)

Pin It on Pinterest