Tag 10: Narsarsuaq-Kulusuk-Reykjavik

Ich habe gut geschlafen und bin um 0500 wieder mit meiner inneren Uhr erwacht. Der Grönland-Rhythmus ist somit schon eingefahren. Nur dumm, dass es mein letzter Tag in Grönland war.

Noch im Bett habe ich das aktuelle Wetter gecheckt und erfreut festgestellt, dass es endlich einmal einen wunderschönen Tag auf der ganze Strecke geben würde. Den Zeitplan für den heutigen Tag hatte ich schon gestern Abend gemacht und hielt ihn peinlich genau ein. Um 0630 war Frühstück, dann um 0700 auschecken und dann zum Flugplatz, denn um 0900 LT wollte ich starten.

Ich habe die beiden Flugpläne von heute per E-Mail an den Tower geschickt. Beide kamen jedoch zurück mit dem Hinweis, dass im Nordatlantik immer Name und Adresse des Operators angegeben werden müsse. Meinen Einwand, dass ich dies jetzt nach mehreren Atlantiküberquerungen zum ersten Mal höre, liess man nicht gelten!

Zum Glück hatte ich so viel Reserve eingebaut. Das Bezahlen der Rechnung im Hotel dauerte ewig. Die ältere Inuit an der Rezeption, war zahnlos, sprach kein Wort Englisch und hatte Mühe mit dem Computer. Am Schluss spuckte der Kreditkartenterminal eine Summe von ca. 1300 Dänischen Kronen aus. Sie versprach mir, mir die Rechnung per Mail zukommen zu lassen. Ich nehme an, dass sie das gestrige Nachtessen vergessen hat, doch das konnte ich ihr nicht sagen, weil ich kein Inuit sprach..

Auf dem Flughafen ging ich wieder ins Administrationsbüro und wartete dort nochmals eine halbe Stunde, bis die Rechnung fertig war! Time to spare, go by air! Alle waren jedoch enorm freundlich und ich habe dann nicht schlecht über den jungen Controller gestaunt. Er war kaum 20, schlaksig mit schulterlangen Haaren und ausserordentlich kompetent. Er hätte fast mein Enkel sein können. Ich habe ihn gefragt, ob ich noch einen Vollkreis über der Bucht fliegen könnte, um «mehr Höhe» zu gewinnen. In Wirklichkeit ging es mir jedoch darum, noch ein paar schöne Fotos des Platzes machen zu können.

Ich überprüfte nochmals das Wetter. Da Kulusuk auf einer Distanz von 2’000 Km der einzige Flugplatz an der grönländischen. Ostküste ist, musste wirklich alles stimmen. Im Notfall hätte ich deshalb noch genug Sprit gehabt, um zum Startflugplatz Narsarsuaq zurück zu kehren!

Nachdem der Papierkrieg endlich erledigt war, ging ich zur Cirrus, machte den Aussencheck, füllte noch einen Liter Öl nach und auch den Tank mit der Enteisungsflüssigkeit voll auf. Man weiss ja nie…, auch wenn gutes Wetter angesagt ist. Danach richtete ich mich wieder im Cockpit ein und verlangte die Startup Clearance. Ausser dem Luftdruck am Platz, der aktuellen Pistenrichtung und der Information, dass es keinen anderen Verkehr hätte, kam jedoch nichts. Die richtige Streckenfreigabe und den Squawk würde ich dann von Nuuk Information auf 120.3 MHz in der Luft bekommen.

Geplant war der Start um 0900 LT und effektiv war ich eine Minute später in der Luft, flog meinen Vollkreis über dem Fjord und machte noch einige Fotos. Die ganze Szenerie war atemberaubend und manchmal hat man Mühe, sich überhaupt aufs Fliegen zu konzentrieren.

Dann stieg ich in nördlicher Richtung auf meinen ersten Waypoint in Richtung Kulusuk BGKK zu, nahm mit Nuuk Information Kontakt auf, erhielt meine Freigabe und dann hiess es nur noch geniessen. Ich war in einer anderen Welt, ich, ein Mensch, der sich nur schwer von etwas beeindrucken lässt, rational und nüchtern, war hier einfach hin und weg.

Da hatte es Gletscher soweit das Auge reicht. Der Eispanzer Grönlands ist 3’000 Meter dick und daraus schauen dann nur einige Berggipfel – etwa so, wie wenn man einen Suppenteller mit Milch füllt und Toblerone Dreiecke hineinstellt. So stelle ich mir vor, musste es in der Eiszeit bei uns ausgesehen haben.

Die Zeit verging wirklich wie im Flug und der nächste atemberaubende Moment kam dann beim Anflug auf Kulusuk. Ich entschied mich, trotz dem schönen Wetter für einen Instrumentenanflug und steuerte auf die Piste 11 zu, doch eigentlich absorbiert von dieser Szenerie.

Der Flughafen verfügt über eine 1199 Meter lange und 30 Meter breite Kies- bzw. Schotter- Start- und Landebahn. Der Platz hat eine lange Landebahn und wurde im Jahre 1956 von den Amerikanern errichtet, die in der Nähe eine radarstation hatten. Er verfügt nicht über Enteisungsanlagen, was im Winter häufig ein sehr großes Problem darstellt, da die Temperaturen sich in dieser Jahreszeit häufig im Minusbereich befinden. Im Sommer kann der Flughafen dagegen oft nicht die Anzahl der Passagiere bewältigen. Das Terminal besitzt außerdem noch eine kleine Cafeteria und einen Duty-free-Stand in der Abflugs- sowie in der Ankunftshalle.

Schotterpisten sind für Flugzeuge wie die Cirrus denkbar ungeeignet. Der Propeller dreht sich nur wenige Zentimeter über dem Boden, saugt Steine an und spickt dies an die Maschine. Da heisst es einfach, sanft landen, nicht zu stark bremsen, den Schwung ausnutzen, um nicht zu viel Gas geben zu müssen, den Knüppel beim Rollen nach hinten ziehen, damit der Propeller möglichst weit weg vom Boden kommt.

Die Landung verlief problemlos, bald stand ich auf dem Apron wo sich zwei grosse rote Bell Helikopter in die Luft erhoben und eine Dash 8 ihre Ladung Passagiere zurück nach Reykjavik brachte.

Freundlich wurde ich begrüsst, es wurde professionell getankt und anschliessen ging ich mit der roten Tasche mit dem Frankenstein drin auf den Tower, hatte einen Schwatz mit den beiden älteren Lotsen, richtete ihnen die Grüsse aus, welche man mir in Narsarsuaq für sie mitgegeben hatte und machte dann einen Spaziergang in den Ort Kulusuk.

Jeder kennt die anheimelnden Bilder der bunten Häuschen des Nordens. Während in Schweden das Falun-Rot vorherrscht, gibt es in grönländischen Dörfern ein breites Farbspektrum. Hätte man mich gefragt, meine Theorie wäre gewesen, dass man in einem Land mit 10 Monaten Winter einfach ein bisschen Farbe braucht. Da hätte ich aber den Praxissinn der Grönländer heftigst unterschätzt. Früher hatten die Farben, in denen die Häuser der Grönländer gestrichen wurden, nämlich bestimmte Bedeutungen. So konnte sich auch ein Fremder, der zum ersten Mal in einen Ort kam, sofort zurechtfinden. Allerdings variieren die Angaben, welche Farbe welches Gebäude kennzeichnete.

Grün – Ein Laden oder ein Geschäft
Gelb – Arzt oder Krankenhaus
Rot – Gebäude der Gemeinde, zum Beispiel die Schule
Blau – Privathaus, bzw. Fischerei und Seefahrt

Die Bucht hatte viel weniger Eisberge, als im letzten Jahr, doch sonst sah der Ort immer noch genau gleich aus. Ausser einigen Inuit und europäischen Outdoor Freaks sah man keinen Menschen. Ich genoss die Abgeschiedenheit und bereute es gar, nicht hier übernachten zu können.

Auf dem Tower habe ich den Sprit und die Landegebühren bezahlt, quälte mich wieder in den Frankenstein und richtete mich im Cockpit ein. Da der Motor noch warm war, musste ich ihn zum Glück nicht lange warmlaufen lassen. Die Flugdaten habe ich via Bluetooth ins Flightmanagementsystem überspiel und rollte – wie mit den Lotsen auf dem Tower verabredet, direkt vom Abstellplatz mit Schwung auf die Schotterpiste und gab Gas. So konnte ich die Schäden durch die Steinchen minimieren. Lediglich an der Bugradverkleidung war ein kreisrundes Stück Farbe abgeplatzt. Das kann man aber reparieren.

Ich stieg auf den gewünschten Flightlevel 130, koordinierte mich bilateral selbst mit einem Airliner der mir entgegen kam und dann war ich unterwegs nach Reykjavik. Die Zeit verging wirklich wie im Flug, doch auch an einem schönen Tag wie heute flog ich mehr als eine Stunde in den Wolken. Zum Glück jedoch diesmal ohne Eisansatz.

Diese Farberscheinung entsteht durch Beugung oder Interferenz von Lichtstrahlen an den feinen Wassertröpfchen oder Eiskristallen in der Wolke. Sie tritt hauptsächlich an Wolkenrändern in der näheren Sonnenumgebung auf. Die Farbbereiche und Abstände zur Sonne sind dabei abhängig von der Tropfengröße.

Der Anflug auf Reykjavik verlief dann wieder etwas speziell. Zuerst bekam ich die Freigabe für einen ILS Anflug auf die Piste 19, dann einen Sichtanflug auf die Piste 31 und kurz darauf einen Sichtanflug auf die Piste 01. Diesen bin ich dann auch geflogen.

Auf dem Apron war schon jemand vom Handlingservice, der mich eingewiesen hat. Nachdem ich den Motor abgestellt hatte, schwatzte ich noch kurz mit ihm und dann standen schon zwei Zollbeamte neben dem Flugzeug, das Blaulicht ihres Fahrzeuges eingeschaltet.

Ich quälte mich aus dem Cockpit, immer noch im Frankenstein, beantwortete einige Fragen, machte vier Unterschriften und zeigte meinen Pass. Nachdem der Zoll fort war, eröffnete mir der nette junge Mann des Handlingdienstes, dass ich die Cirrus leider nicht bis am Mittwoch mitten auf dem Apron parkieren dürfe und ich sie ins Longterm-Parking verschieben müsse. Nicht schon wieder…!

Der Hotstart verlief diesmal sehr gut, ich parkierte die Cirrus um, entlud das wichtigste Material und wurde dann mit einem Kleinbus ins Büro der Handlingfirma gebracht. Dort konnte ich Conny begrüssen und endlich den Frankenstein ausziehen. Ich hatte das Gefühl, wie ein Iltis zu riechen…!

Im Hotelzimmer mit Blick auf den Apron, dann zuerst eine Dusche, saubere Kleider anziehen und dann in die Stadt einen Teller Pasta essen und ein Glas Rotwein trinken. Jetzt, kurz vor Mitternacht, stand die Sonne immer noch über dem Horizont. Eben ist das letzte Flugzeug gelandet – Musik in meinen Ohren. Nun bin ich froh, noch einige Tage Ruhe zu haben, um die Eindrücke zu verdauen.

Schlaft gut ihr alle zuhause in der Schweiz!

Heute BGBW-BGKK-BIRK: 747 NM (1’402 Km)

Pin It on Pinterest