D+1: EGPO Stornoway – BIRK Reykjavik

D+1: Montag, 21.7.2014 (EGPO Stornoway -BIRK Reykjavik)

Um 0415 UTC (0515 LT) bin ich erwacht und habe noch im Bett die Wetterdaten eingeholt. Es sah wirklich nicht schlecht aus und ich musste den Experten recht geben, die sagen, dass man mit einem kleinen General Aviation Flugzeug keine langfristige Planung für eine Atlantiküberquerung machen kann. Dann habe ich einen grosszügigen Zeitplan gemacht, weil in der Fliegerei alles was nicht mit dem Fliegen zu tun hat in der Regel etwas langsamer geht, als man es gerne haben möchte.

Ich habe – immer noch im Bett – den Handling Service in Reykjavik informiert und ein Hotelzimmer reserviert. Dann ging ich duschen und habe anschliessend das erste – und wie sich herausstellen sollte, einzige – vergessene Item realisiert: Ich hatte den Rasierer vergessen! Na ja, das war jetzt nicht unbedingt lebensnotwendig!

Da es erst um 0630 UTC Frühstück gab und ich schon früher zum Flughafen wollte, habe ich das Frühstück durch stramme Haltung ersetzt, um 0600 UTC die Hotelrechnung von „ungeheuren“ 86 Pfund inklusive Meatball-Pasta und Garlic Bread bezahlt und ein Taxi bestellt. Dieses hat dann aber 30′ gebraucht bis es erschienen ist. Ein uralter Ford mit einem dicken Schotten als Fahrer. Das Taxi war vollkommen verraucht und der Fahrer schien aufgrund seines blauroten Kopfes einen zu hohen Blutdruck zu haben. Er erschien mir auch unglaublich gestresst, weil es in der vollkommen menschenleeren Stadt bereits sein zweiter Auftrag an diesem Morgen war. Dass er in Schlangenlinien gefahren ist, weil er auf seinem Uralt-Nokia-Handy eine SMS am Schreiben war, hat mich auch nicht unbedingt beruhigt. 15′ Fahrt für 6 Pfund: unglaublich für Schweizer Verhältnisse.

Time to spare, go by air! Am Flughafen Stornoway ging ich dann – wie es in meinen Unterlagen beschrieben war – zum Information Desk, damit mich jemand zum Tower rauslassen konnte. Nach weiteren 20′ kam mich ein adrett angezogener junger Schotte in Uniform und Leuchtweste abholen und brachte mich zum Tor 2 beim Tower. Unser Gespräch verlief etwa wie folgt:

„Lovely weather today“ (ich fand es ziemlich versch… mit einem Deckel auf 800 Fuss)

„Yeah…, it’s beautiful“ (ich wollte höflich sein)

„Where are you coming from?“

„From Switzerland“

„Where is Switzerland“

Meine Antwort: „in the south…“ und damit gab ich den Smalltalk auf!

Nachdem der liebe Kerl dann 10 Minuten lang versucht hat den richtigen Code für das Tor einzugeben, hat er sich bei mir entschuldigt und ging zurück zum Terminal. Schliesslich klappte es dann und ich war drin in der heiligen Zone, aber noch nicht beim Tower, wo ich meinen Obulus für die Landegebühren abliefern musste.

Die Überquerung des Taxiways war nur erlaubt, wenn die Ampel am Tower auf grün geschaltet war (man beachte: auf dem Foto ist sie rot). Erst dann durfte man über den grünen „Fussgängerstreifen“ gehen! Da stand ich also, meine Maschine war das einzige Flugzeug auf dem Platz und wartete, und wartete, und wartete…, bis man mich endlich bemerkt hat!

Nach der Bezahlung der Gebühren und einem kurzen Schwatz ging ich zur Maschine. Die verbleibende Zeit habe ich im Flugzeug aufgeräumt, habe die Unterlagen vorbereitet und schliesslich meinen Trockenanzug – den „Frankenstein“ – für den langen Flug über Wasser angezogen. Als ich dann um 0910 UTC (1010 LT) die Startup Clearance eingeholt habe, bekam ich nur das QNH von der Flugplatzwetterdurchsage (ATIS) wiederholt und den mir zugewiesenen Holdingpoint durchgesagt und sonst nichts. Beim Rollen zum Holdingpoint wollte mir der Lotse dann die Clearance geben, wie er es bei den Airlinern im Regionalverkehr gewohnt ist. Da ich jedoch alleine im Cockpit war, wollte ich nicht gleichzeitig rollen und schreiben – dies hatte mich der Taxifahrer vom Morgen gelehrt!

Am Holdingpoint ALPHA 1 bekam ich dann meine Clearance, die wie folgt lautete: Cleared to Reykjavik via BARKU, ALDAN, FL105, Squawk 4472. Nach dem Departure und Takeoff Briefing konnte es losgehen. Gleich nach dem Start erhielt ich – statt eines Standard Departures – die pragmatische Anweisung in Pistenrichtung 180 Grad auf 3000 Fuss zu steigen und dann direkt in Richtung des Waypoints BARKU zu fliegen.

Scottish auf 127.275 informierte mich dann noch, dass sie lediglich Basic Service anbieten und schon bald wurde ich an Scottish auf 133.675 weiter gegeben. Bis fast zum Waypoint BARKU blieb ich auf dieser Frequenz und wurde dann an Reykjavik auf 126.750 weiter gegeben. Ich hatte mich zuerst über die gute Qualität der Verbindung gewundert, bis ich realisiert habe, dass es sicher auf den Färöern einen fernbedienten Sender hatte. Reykjavik sagte mir kurz nach dem Punkt RATSU, dass ich mit Iceland auf 127.875 für die Oceanic Clearance Kontakt aufnehmen müsse. Ich habe es mehrfach probiert, erhielt dann auch noch die Frequenz 126.55, doch auch dort hatte ich keinen Erfolg. Schliesslich hat mir Reykjavik die Oceanic Clearance gegeben.

Da ich schon viele Räubergeschichten über die komplexe Oceanic Clearance gelesen hatte, schnellte nun mein Puls hoch. Ich wollte mich nicht auf der Frequenz vor allen Profis in den Airlinern blamieren, habe Ohren und Bleistift gespitzt und machte mich auf ein Maschinengewehrfeuer von Waypoints gefasst. Die Clearance war dann jedoch nur BARKU RATSU ALDAN ARBEX EL. Das war gar nicht so schwer wenn man die Jeppesen Atlantic Orientation Chart etwas studiert hat.

Da ich nun langsam aus dem Funkbereich der Sendestation auf den Faröern rauskam, habe ich laufend versucht mit Iceland Kontakt aufzunehmen. Als es wieder und wieder nicht geklappt hat, hat mir ein kanadischer Airliner der weit über mir unterwegs war mitgeteilt, dass Iceland mich auf der Frequenz 126.550 hört und ich meinen Position Report durchgeben solle. Dies habe ich dann gemacht, hatte es mir jedoch vorher fein säuberlich aufgeschrieben. Das hat zwei Minuten gebraucht, gab mir aber einen professionellen Touch.

Der Atlantik unter mir schien ruhig. Es hatte eine dünne Wolkendecke welche mit etwa 4/8 das Meer bedeckte. Viele Piloten mit Erfahrung auf der Nordatlantikstrecke haben mir gesagt, es sei ein beklemmendes Gefühl, so alleine über dem Meer zu fliegen. Ich habe dies keinen Augenblick so empfunden. Zwischendurch kontrollierte ich die Instrumente, bereitete die nächsten Position Reports vor und habe mir Notizen gemacht. Ich war für eine Notwasserung bereit, hatte die Ditching Checklist zuoberst auf meinem Kniebrett, das Rettungsfloss lag neben mir, ich hatte den Schutzanzug an, einen Personal Locator Beacon in der Tasche und die Neoprenhaube sowie die Handschuhe lagen auf dem Copilotensitz bereit.

Die Wetterprognose für Reykjavik verschlechterte sich laufend während dem Flug. Dies konnte ich auf dem Datalink verfolgen. Auf halber Strecke war die Sicht in Reykjavik 9’000 m und bezüglich Wolken sah es so aus dass es Few auf 1’800 ft und eine geschlossene Wolkendecke auf 2’500 ft hatte. Im Funk wurde es plötzlich sehr ruhig und ich musste einige Zeit gegen den Schlaf kämpfen. Unter mir war statt dem blauen Atlantik nun eine weisse Wolkendecke. Von Island war nichts zu sehen, nur Wolken überall. Ich musste mich beschäftigen um nicht einzunicken. Das monotone Dröhnen des Motors kann nämlich ein wunderbares Schlafmittel sein.

Beim Waypoint ALDAN habe ich dann den Positionsreport nach den Vorschriften für die Nordatlantikflüge gemacht und dann ging es plötzlich sehr schnell. Ich habe in Reykjavik einen VOR DME Approach mit Vektoren auf die Piste 13 erhalten. Dies alles fand in IMC-Bedingungen statt und der Flug endete um 1310 UTC nach einer Flugzeit von 3h 50′ und einer Distanz von 614 NM!

Ich wurde von einem Marshaller eingewiesen, öffnete im Nieselregen die Türe und sagte ihm, dass ich das Handling angemeldet hatte. Der Typ war von der Handlingfirma BIRK hatte jedoch keine Ahnung, wirkte unglaublich gestresst und rannte hin und her. Ich wollte einfach zuerst einmal meinen Trockenanzug ausziehen. Es war nicht primär wegen der Wärme, sondern weil mir die Handmanschetten das Blut in den Händen abgestellt haben.

Doch vorher musste ich zuerst den Einwanderungsbehörden direkt an der Maschine meine Papiere zeigen und auch einige Fragen beantworten. Anschliessend machte ich auf dem Rollfeld einen Striptease und kümmerte mich dann um die Betankung der Maschine. Es kam ein grosser Tankwagen und der Tankwart sah etwa so aus wie man sich Yeti den Schneemenschen vorstellt. Er war etwa einen Kopf grösser wie ich, hatte kaum noch Zähne und stiess unverständliche Laute aus. Ich habe ihm klar gemacht, was zu tun war und so hat es mit dem Sprit doch noch geklappt. Leider hat er danach den Rückwärtsgang mit dem Vorwärtsgang verwechselt und fast die Cirrus gerammt! Im Loftleidir Hotel der Icelandair habe ich dann ein schönes Zimmer bekommen, etwas gegessen und nach einem vergeblichen Anlauf schliesslich meine Cola getrunken. Ein richtiges Happy End!

Den Abend verbrachte ich im Zimmer mit der Planung des Folgetages und zudem habe ich auch noch eine Handwäsche gemacht, weil ich nicht wusste, was mich die nächsten Tage an Unterkünften erwartet.

Je näher ich meinem Ziel kam desto brennender wurden zwei Fragen:

  • Erste Frage: Gibt es AVGAS in Iqaluit? Ich habe nochmals Mails an meine Kontakte geschickt.
  • Zweite Frage: Mit welcher Database muss ich mein Navigationssystem füttern. Die Grenze zwischen der Database AMERICAS und INTERNATIONAL läuft durch die Davis Strait zwischen Kanada und Grönland. Zu allem Überfluss kriege ich nicht alle Daten auf eine Speicherkarte und zufällig wird bei meinem Überflug über die Davis Strait auch noch der Database aufdatiert. Eine Gleichung mit vielen Unbekannten.

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