Tag 7: Ilulissat-Iqaluit

Nach drei Stunden Schlaf bin ich erwacht. Irgendwie hatte ich das Gefühl, im falschen Film zu sein. Draussen hörte man einen starken Dauerregen, es war grau aber taghell und die Wolken schlossen sich schon 500 Meter vom Hotelfenster entfernt mit dem Nebel zusammen. Es war ein richtig trostloser Morgen!
Auf meinem Mobiltelefon sah ich, dass der Kanadier zwischen 0200 und 0300 zweimal versucht hat mich anzurufen. Zum Glück hatte sich mein Mobiltelefon «aufgehängt»! Und dann hat Mike von Whiteroseaviation (welche für mich die Hotels und FBO’s organisiert) mir eine Mail geschrieben, dass man in Kanada ein Fass auftreiben konnte.
Bei mir ratterten nochmals alle beurteilten Varianten durch den Kopf. So früh abfliegen wie ursprünglich geplant konnte ich wegen dem Wetter eh nicht. Es blieb somit nur die Option, den Flug auf der Zeitachse nach hinten zu schieben. Ich entschloss mich deshalb um 1400 UTC (1200 LT) zu starten. Der Rückflug nach Grönland am Folgetag schien wettermässig möglich zu sein, doch danach gab es noch viele Fragezeichen bezüglich meines Rückflugs nach Island.
Also…, eins nach dem anderen. Bis zum Frühstück hatte ich die Flugplanung zusammen, einen Flugplan aufgegeben, diesen per E-Mail und SMS bestätigt bekommen, den Zeitplan überarbeitet, alle betroffenen Stellen wie Zoll, FBO, Whiteroseaviation und den Flugplatz Ilulissat informiert.
In Ruhe haben wir gefrühstückt und danach habe ich noch etwas gedöst, bevor ich schliesslich mit einer Gruppe Koreaner zum Flughafen fuhr. Dort hat man mich gebeten, nochmals auf den Tower zu kommen. Es ist das passiert, was ich angenommen hatte: Mein Flugplan, den der Computer in Brüssel bestätigt hatte, war nicht in Grönland angekommen. Also nochmals manuell (per Fax) einen neuen – dritten – Flugplan aufgeben und dann hat es geklappt. Zum Glück hat es aufgehört zu regnen, als ich zur Maschine ging. Ich machte den Aussencheck, verstaute das Material, schloss das Satellitentelefon am Headset an und versuchte dann in den Frankenstein zu kommen. Ich wusste genau, wo das Problem sein würde. Es war dort, wo ich mit meiner gebrochenen linken Hand durch den engen und satten Gummischlauch, welcher den Anzug am Handgelenk wasserdicht abschliesst, durch musste.Unzählige Mücken plagten mich. Ich hatte enorme Schmerzen, doch irgendwann war ich in diesem verdammten Frankenstein drin, zog mir noch die Schwimmweste darüber und quälte mich dann ins Cockpit.

Ich habe so geschwitzt, dass sich alle Scheiben innen beschlagen haben, doch ich war bereit…, endlich bereit! Ich habe eine Startup Clearance vom AFIS (etwas ähnliches wie ein Kontrollturm, nur mit weniger Kompetenzen) verlangt und erhielt ein mageres «Runway in use 07, QNH 997, report when you enter controlled airspace at flight level 140». Dann kam die Frage «what are your intentions» und das vom gleichen Controller, mit dem ich vor einigen Minuten einen neuen Flugplan ausgefüllt hatte. Ich sagte ihm, dass ich nach dem definierten Abflugprozedere direkt zum ersten Waypoint fliegen würde. Dann wollte ich noch wissen, was der Squawk sei. Antwort: «there is no Squawk».

Der Transpondercode (umgangssprachlich auch Squawk) ist im Luftverkehr eine durch den Piloten einstellbare vierstellige Oktalzahl (Ziffern jeweils 0–7), die der Transponder bei der Abfrage durch das Sekundärradar der Radar-Bodenstation aussendet. Der Transpondercode wird mit dem Radarecho zusammen auf den Radarschirmen der Flugsicherung dargestellt und dient in einem Fluginformationsgebiet zur eindeutigen Identifizierung eines Flugzeuges. Bis 2006 zählte der Transponder nicht zur Pflichtausstattung von Motorflugzeugen, das ist heute nicht mehr so. Ich habe dem Controller gesagt, dass ich vorsorglich einmal einen VFR Squawk von 7000 einstellen würde. Der AFIS-Lotse hat nur mit einem OK geantwortet.

Das Wetter war gar nicht einmal so schlecht. Die Wolkenuntergrenze war mittlerweile auf 1’000 ft angestiegen und so startete ich um 1359 UTC (1159 LT) auf der Piste 07 in Ilulissat und verschwand bald in den Wolken. Auf 6’000 ft kam ich dann oben in den Sonnenschein.

Ich nahm mit Nuuk Information auf der Frequenz von 120.3 MHz Kontakt auf und erhielt dort weitere Clearance-Bruchstücke. Mir wurde jetzt erlaubt meinen Flugweg wie geplant abzufliegen und ich erhielt auch den Squawk 1138. Mein erster Waypoint nach dem NDB auf dem Flugplatz Ilulissat war KUKAK. Diesen musste ich melden. Ich war schon viel früher auf der gewünschten Reiseflughöhe von FL 140 (4’200m) und die Cirrus war zuverlässig unterwegs. Sogar das MFD funktionierte normal!

Die Meldung bei KUKAK verlief dann so:

  • Nuuk Information from N138CR, Position
  • Nuuk Information, go ahead N138CR
  • N138CR position KUKAK, time 1434, FL 140, Speed 165 KTAS, estimating IKNOG time 1545, next KENKI, normal Operations

Die Controllerin hat dann alles nochmals wiederholt und gab mir dann folgenden Auftrag:

  • Bis IKNOG auf der Frequenz von Nuuk Information 120.3 MHz bleiben;
  • Dann nach dem Waypoint KENKI (vorher gab es eh keine Verbindung) die folgenden Frequenzen auszuprobieren: 123.275 MHZ (Quebec Radio), 135.5 MHz (Edmonton Center) oder sonst 128.075 (Montreal Center).

Das habe ich auch so gemacht. Quebec Radio hat nicht geantwortet, Edmonton Center war gut verständlich, jedoch nicht interessiert und gab mir die Frequenz vom zuständigen Montreal Center 134.55 MHz, doch dort bekam ich auch keine Antwort.
So flog ich einfach weiter und im Gegensatz zur ersten Atlantiküberquerung hat mich dies auch nicht mehr gross beunruhigt, weil ich wusste, dass es irgendwann schon klappen würde und ich nicht vorher von kanadischen F/A-18 Abfangjägern abgeschossen werde.
Die erste Hälfte der Strecke flog ich über ein geschlossenes Wolkenmeer. Doch als die Wolken dann aufrissen, kam eine unbeschreiblich schöne Landschaft zum Vorschein! Riesige Treibeisfelder, Fjorde, Bergketten. Man stellt sich lieber nicht vor, wie es wäre, wenn man dort runter müsste…!

Etwa 80 NM nördlich des Flugplatzes Iqaluit CYFB habe ich dann einfach die Frequenz von Montreal Center gerastet, welches laut Jeppesen Approach Chart die Anflugkontrolle für Iqaluit hatte und wo ich auch die Clearance für den Instrumentenanflug bekam. Ich sagte einfach, dass ich 80 NM nordöstlich des Platzes auf Altimeter 14’000 sei und das QNH des Platzes auf meinem Datalink habe. Die Controllerin liess mich bald von 14’000 ft auf 6’000 ft sinken, fragte, welchen Anflug ich wünsche (den GPS-Anflug auf die Piste 34 weil es starken Westwind hatte mit Böen bis 35 Knoten = 65 Km/h hatte). Sie hat mich dafür gecleared und mich gebeten auf die Frequenz von Iqaluit Radio zu wechseln. Dem AFIS Lotsen in Iqaluit habe ich dann mitgeteilt, was ich vorhatte und die Cirrus hat mit dem Autopiloten den ganzen Anflug bis 500 ft über Grund geflogen, wo ich dann erst ganz zum Schluss übernommen habe und wegen dem starken Wind noch etwas arbeiten musste. Die gebrochene linke Hand hat es mir gedankt.

Der Flughafen Iqaluit wurde als Frobisher Bay Air Force Base während der 1940er- und 1950er-Jahre erstellt. Die Basis wurde von den Vereinigten Staaten und Kanada gemeinsam für Transporte genutzt. 1963 wurde der Stützpunkt geschlossen, der Flughafen wurde danach für den zivilen Luftverkehr genutzt. Seit den 1950er-Jahren war Frobisher Bay ein gerne genutzter Landeplatz für so genannte technische Stopps für Fluggesellschaften, welche den Nordatlantik überqueren. Wenn man von Glasgow-Prestwick oder Shannon Richtung Westen startete, bevorzugte man meist eine Route via Island, bzw. die Azoren nach Gander und weiter nach New York City oder woanders hin. Jedoch musste man aufgrund von schlechten Wettervorhersagen manchmal auf eine nördlichere Route (via Frobisher Bay) ausweichen. Zwischenzeitlich betrieb die Pan Am eine Basis in Frobisher Bay. Mit der Einführung weiterer Langstreckenflugzeuge wurde Iqaluit von internationalen Flügen immer seltener angeflogen. Trotzdem war der Flughafen immer gut besucht. Als regionaler Flughafen hatte er grosse Bedeutung. Während der 1960er-Jahre wurde Frobisher Bay/Iqaluit hauptsächlich von Nordair von Montreal aus bedient. Gegen Ende des Jahrzehnts expandierte Bradley Air Services und zu Beginn der 1970er-Jahre wurden zahlreiche kleinere Siedlungen in der Arktis bedient und mit lebensnotwendigen Dingen und der Post versorgt.

Iqaluit ist der grösste Ort und der aktivste Platz auf Baffin Island im Norden Kanadas. Es ist ein typischer Tankstopp für Ferryflüge auf der Nordroute. Die Piste 16/34 ist 2’600 m lang mit ILS/DME und RNAV Anflügen. Nach Iqaluit führt keine Strasse. Alles wird mit dem Schiff oder Flugzeug gebracht. Schiffe können jedoch erst ab Juni hinfahren. Vorher ist dort alles voller Packeis. Also kommt bis dahin alles per Flugzeug. Das erklärt vielleicht auch die hohen Preise im Ort. Auch im Sommer kann es oft bitterkalt sein. Der Flugplatz liegt in recht flachem Gelände und ist problemlos anzufliegen. Ein neues Terminal Building hat am 9. August 2017 geöffnet. Tiefe Plafonds sind in dieser Region keine Seltenheit. Im Unterschied zu derartigen Wetterlagen bei uns, bestehen diese meist aus klar ausgeschichteten Wolken und sind im Allgemeinen sehr stabil.

Man stelle sich vor, man kommt in 8’000 ft z.B. in TIBEG an (mit oder ohne Holding) und erhält die Clearance „Cleared for the ILS DME Rwy 34 Approach into Iqualuit“. Wie kommt man, nur mit der Anflugkarte bewaffnet, nun von 8’000 ft auf die MSA von 3’600 ft und weiter auf die Glideslope Intercept Höhe von 2’100 ft? CYFB hat erst seit einigen Jahren ein Anflugradar. Vor dessen Inbetriebnahme wurden die Maschinen zum Platz-VOR oder einem Wegpunkt gecleared und dann für den Approach freigegeben. Es lag nun an der Crew, von der letzten freigegebenen Höhe (meist die letzte MEA, also z.B. 4’800 ft) auf die MSA (3’600 ft) und dann auf die Höhe für den Approach (2’100 ft) zu kommen. Im Allgemeinen erledigte die Crew dies in einem Holding innerhalb des durch die MSA geschützten Bereichs. Trotz dem Radar hat sich an diesem Verfahren jedoch wenig geändert. Lediglich die Staffelungsabstände der Maschinen können dank Radar geringer gehalten werden. Nach wie vor werden die Flugzeuge aber zu einem Fix (z.B. TIBEG) gecleared und dann mit oder ohne Holding für den Approach freigegeben. Wird man nicht mittels Vektoren auf den ILS geführt, bleibt nichts Anderes übrig, als sich im YFB Holding auf eine vernünftige Höhe herunter zu schrauben.

Achtung: Der in Iqaluit unter dem Namen „FBO“ angebotene Handling-Service kann sehr teuer sein und ist vor allem nicht vorgeschrieben! Man kann nach dem Abstellen einfach selber zum Gate gehen, auch wenn man dafür das Apron queren muss. Dort kommt man auch mit der Pilotenlizenz wieder herein und geht zum Flugzeug. Die Kosten für ein Fass AVGAS waren im April 2017 bei Uqsuq 318 US Dollar. AVGAS kann über airside@uqsuq.com bestellt werden

Da Whiteroseaviation jedoch alles mit dem FBO für mich aufgegleist hatte, rollte ich nach der Landung zum FBO, wo ich eingewiesen wurde. Kaum habe ich die Maschine abgestellt, war schon ein Officer – eine «Fluh» von einer Dame – für die Einreiseformalitäten neben dem Flugzeug. Ich habe noch 10’ mit ihr geschwatzt und gescherzt und dann war auch die Immigration erledigt. Sie hat gemeint, ich dürfe jetzt sechs Monate bleiben…, doch das hatte ich nicht vor.

Im FBOwar der Teufel los. Die kanadische Coast Guard hat zig Studenten mit Frankensteinanzügen eingekleidet oder es wenigstens versucht. Ich habe mich mühsam aus meinem eigenen Frankenstein herausgeschält und bei der linken Hand musste mir eine Studentin helfen. Sie hat die Gummimanschette so ausgedehnt, dass ich irgendwie meine verletzte Hand durchgebracht habe.

Anschliessend musste ich mit der Cirrus zu den Uqsuq Benzinpumpen rollen. Uqsuq ist eigentlich die Konkurrenz des FBO’s. Da hat mein Aufstand in diesem Fall doch etwas gebracht. Bei den Benzinpumpen angekommen stand doch tatsächlich ein Fass, welches mit N138CR angeschrieben war…!

Nachdem ich nach dem Tanken die Cirrus wieder vor dem FBO abgestellt hatte, wurde ich ins Discovery Hotel gefahren. Obwohl ich der einzige Gast an der Rezeption war, dauerte das Check-In eine gute halbe Stunde. Währenddessen habe ich die ganze Zeit versucht, mit meinem Mobiltelefon ins Netz zu kommen. Ich habe dann die Dame am Schalter gefragt, ob es am Netz oder an meinem Telefon liege. Sie hat dann auf ihr Telefon geschaut und gesagt… «ah…, wieder einmal kein Netz». Dies schien also ein Normalzustand zu sein!

Nachdem ich mein Zimmer – mit Blick an eine Armlänge von mir entfernte blaue Wand – bezogen hatte, hängte ich alle Geräte die Strom brauchten, an die Ladestation und ging dann ich die Stadt, um einen Ort zu finden, wo man Telefon-Empfang haben müsste. Nach einer Stunde herumwandern, habe ich resigniert. Alles erfolglos…! Noch nie habe ich dies erlebt, in einer Stadt zu sein, ohne Mobiltelefon. Also…, wenn jemand bei seinen Kindern einen Mobiltelefon-Entzug machen möchte, dann ist Iqaluit als Reiseziel zu empfehlen.

Die Stadt selber ist etwas schräg: Dreckige und staubige Strassen, nur die Hälfte ist geteert, riesige amerikanische «Trucks» die herumfahren, Männer alle mit Baseballmützen und etwas übergewichtig, es wird viel geraucht und man redet laut. Einfamilienhaussiedlungen sind schmuddelig und die Männer werken im Garten an irgendwelchen schrottreifen Bootsmotoren, Autos oder Motorschlitten herum.

Zum Nachtessen «Downtown» zu gehen, hatte ich keine Lust mehr. Meine Hand hat geschmerzt wie der Teufel, doch Medikamente wollte ich keine nehmen, weil ich ja bald wieder fliegen würde.

Das Essen im Hotel war jedoch gut und bald war ich wieder im Zimmer, habe bis Mitternacht am Blog geschrieben und Fotos sortiert und bearbeitet.

Im FBO war der Teufel los. Die kanadische Coast Guard hat zig Studenten mit Frankensteinanzügen eingekleidet oder es wenigstens versucht. Ich habe mich mühsam aus meinem Frankenstein herausgeschält und mit der linken Hand musste mir ein Student helfen. Er hat die Gummimanschette so ausgedehnt, dass ich irgendwie meine verletzte Hand durchgebracht habe.

Anschliessend musste ich mit der Cirrus zu den Uqsuq Benzinpumpen rollen. Uqsuq ist die Konkurrenz meines FBO’s und es heisst wohl etwas, dass sie die Konkurrenz um ein Fass gebeten haben. Da hat mein Aufstand in diesem Fall doch etwas gebracht. Bei den Benzinpumpen angekommen stand doch tatsächlich ein Fass, welches mit N138CR angeschrieben war…!

Anschliessend nachdem ich die Cirrus wieder vor dem FBO abgestellt hatte, wurde ich ins Dicovery Hotel gefahren. Obwohl ich der einzige Gast an der Rezeption war dauerte das Check-In eine gute halbe Stunde. Währenddessen habe ich die ganze Zeit versucht, mit meinem Mobiltelefon ins Netz zu kommen. Ich habe dann die Dame am Schalter gefragt, ob es am Netz oder an meinem Telefon liege. Sie hat dann auf ihr Telefon geschaut und gesagt… «ah…, wieder einmal kein Netz».

Nachdem ich mein Zimmer bezogen hatte, hängte ich alle Geräte die Strom brauchen an die Ladestation und ging dann ich die Stadt um einen Ort zu finden, wo man Natel-Empfang haben müsste. Alles erfolglos…!

564 NM, 1044 km

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