D+4: Sondrestrom BGSF – Iqaluit CYFB

D+4: Donnerstag, 24.7.2014 (Sondrestrom BGSF – Iqaluit CYFB)

Wenn die Tage bei einem Flug nach Westen immer 25 oder sogar 26 Stunden haben, dann fällt einem das frühe Aufstehen gar nicht schwer. So bin ich auch heute – vor dem Sprung auf den amerikanischen Kontinent – schon wieder um 0400 LT aufgestanden und habe zuerst einmal das Flugwetter beurteilt. Im Gegensatz zu gestern sah es heute gut aus und auf meinem Zielflughafen Iqaluit CYFB sollte eine Stunde vor meiner Ankunft  eine Wetterbesserung stattfinden. Das war auch zu hoffen, denn der nächste Ausweichflughafen lag 200 NM weiter.

Danach machte ich mich an die Routenplanung, schrieb sinnvolle Koordinaten für die Oceanic Clearance raus und rechnete mit Massstab und Taschenrechner – wie früher – die Flugzeiten für die entsprechenden Teilstücke raus. Dafür gibt es auch heute noch keine Software oder App.

Das Frühstück fiel einmal mehr karg aus. Ein Teller Haferflocken mit Milch und ein Brötchen mit einem Glas Orangensaft. Das musste genügen und mehr gab es in der Kantine auch nicht. Um 1030 LT hätte man mich auf die Airbase abholen sollen, doch dies hat leider nicht geklappt und führte bereits zu einigen Verzögerungen.

Das nächste Problem war dann die Anmeldung bei den kanadischen Zollbehörden für die Einreise. Es war zwingend vorgeschrieben, dass dies persönlich telefonisch zu erfolgen hatte. Leider war die zugewiesene Nummer nie betreut und bei den Ausweichnummern kam immer eine freundliche dänische Frauenstimme, die mich darauf aufmerksam machte, dass der Anschluss nicht in Betrieb sei. Dies war besonders brisant, da eine Verzögerung bei der Ankunftszeit von mehr als 15’ eine Busse von $ 5’000 auslösen kann. Andere Länder andere Sitten!

Man brachte mich dann eine Stunde vor der geplanten Startzeit zur Maschine, die ganz alleine auf dem riesigen Areal stand und ich machte zügig die Preflight Checks, habe die Unterlagen geordnet und wollte noch die Database wechseln. Schock! Der Speicher des rechten Bildschirms im Cockpit war mit der Datenmenge überfordert. Ich hätte Daten löschen müssen, die ich jedoch für den Heimflug wieder benötigte hätte und es gab auch keinen Weg diese zu löschen, ausser sie zu überschreiben.

Das Überschreiten der Grenze zwischen der Database Europe und Americas war gar nicht so einfach!

Nun wurde mir warm…! Die Zeit drängte, unzählige Mücken fielen lustvoll über mich her, die Kanadier hatte ich immer noch nicht erreicht und zu allem Überfluss musste ich nun noch den Frankenstein anziehen. Wieder machte ich einen Striptease auf dem Areal, zwängte mich in den dick gefütterten Isolationsanzug und dann in den wasserdichten Frankenstein. In kürzester Zeit war ich triefend nass. Dauernd überlegte ich mir beim ganzen Prozedere wie ich das Chaos mit den Navigationsdaten lösen könnte. Ich hatte noch den iPad und das Garmin 695 Reserve GPS und dann dachte ich mir, dass ich im Prinzip bei der Route die ich erhalten hatte – sie war schnurgerade –  einfach ein „Direkt-Zu“ eingeben könnte. Gesagt getan und so quälte ich mich in die Maschine, rief den Tower auf und dann rasselte die Controllern die Clearance runter. Doch…, wo war mein Kugelschreiber? Er war runtergefallen und für mich in meinem Frankenstein unerreichbar! Also…, den Ersatz-Kugelschreiber hervorgeklaubt, der Controllerin etwas von schlechter Funkverbindung erzählt und dann das Zeugs aufgeschrieben und wiederholt.

Ich habe dem Tower gemeldet, dass ich „ready for taxi“ sei und dann wollte man mich gleich auf die Piste schicken. Eindringlich musste ich darauf beharren, dass ich am Rollweg zuerst meinen Motorentest, den Run-Up, machen wollte. Die Controllerin war genervt und ich musste sie aufklären, dass ich nie gesagt hätte, ich sei „ready for departure“. Sie hatte wohl einfach etwas wenig Routine im Umgang mit Kolbenmotor-Flugzeugen in dieser unwirtlichen Gegend.

Kaum in der Luft verschwand mein iPad rechts im Spalt neben dem Copilotensitz und Türe…! Auch das noch! Ich stieg mit dem Autopiloten auf sichere Höhe, zwängte mich aus den Gurten und habe ihn mit viel Anstrengung – wegen dem Frankenstein bewegungsmässig eingeschränkt – wieder gefunden und am richtigen Ort fixiert. Immerhin hätte ich dann immer noch das Garmin 695 als Ersatzsystem gehabt und wäre damit besser ausgerüstet gewesen, als manch andere Maschine, die tagtäglich die Davis Strait überquert.

Nun konnte ich erstmals richtig rausschauen und die beeindruckende Landschaft wahrnehmen und einige Fotos zu machen. Dann begann ich das System zu evaluieren um herauszufinden was noch ging und was nicht. Mit der Zeit konnte ich dann effektiv alle Anflugkarten herauskitzeln, jedoch war ich ohne digitale Flugkarte. Ich hatte zwar genug Systeme, musste mir jedoch eine Systematik zulegen um keine Fehler zu machen, da plötzlich alle Abläufe anders waren. Im Instrumentenflug verträgt es keine Fehler!

Ich wurde von Sondrestrom Tower 118.3 an Sondrestrom Approach 126.2, dann an Sondrestrom Information 121.3 weiter geleitet. Als ich kurz vor dem Verlassen der Funk-Erreichbarkeit von Sondrestrom – weit draussen über der Davis Strait – war, hat mich die Controllerin gefragt, ob ich ihr sagen könne, um welche Uhrzeit – präzise – ich den 90 NM Radius um Sondrestrom verlassen hatte.  Das war jetzt eine total unverständliche Frage. Ich habe ihr gesagt, dass ich mit der AMERICA Database gestartet sei und hörte im Hintergrund ein Gelächter. Kann es ein, dass dies ein Scherz war, den sie immer wieder einmal mit den armen Ferry-Piloten treiben? Beim Rückflug würde mir dies sicher nicht mehr passieren, dann würde ich eine Lösung haben.

Als dann mit der Küste von Baffin Island Kanada in Sicht kam, dann war der Anblick einfach atemberaubend. So etwas kann man in keinem Reisebüro buchen!

Der Flugplan war einfach SF – N6554W5835 (die Grenze zur Kanadischen ADIZ) – KENKI – YFB. Von Sondrestrom Information wurde ich an der ADIZ-Grenze an Arctic Radio 126.7 weitergegeben und von dort an Edmonton Center 135.5. ADIZ (Air Defense Identification Zone) bezeichnet eine Luftraumüberwachungszone, in der sich aus Gründen der militärischen Luftverteidigung durchquerende Flugzeuge identifizieren und regelmässig ihre Koordinaten bekanntgeben müssen. Eine Air Defense Identification Zone ergänzt üblicherweise den Luftraum über die Hoheitsgewässer eines Staates (12-Seemeilen-Zone) um die außerhalb davon liegenden internationalen Gewässer als Pufferzone, um frühzeitig ein Eindringen fremder Flugzeuge in den eigentlichen Luftraum erkennen zu können. Als solches sind sie nicht Teil des Hoheitsgebietes eines Staates und haben demnach auch keine Grundlage im Völkerrecht. Mehr als 20 Staaten haben eine ADIZ eingerichtet, darunter die USA, Kanada, Australien, Japan, Südkorea, China, England, Norwegen, Indien und Pakistan. Edmonton wollte nichts von mir wissen und gab mich gleich an Montreal Center weiter. Doch Montreal war nicht verständlich, weil ich noch zu weit weg war. Erst 90 NM vor dem Platz (dort stand die Antenne) gelang es mir Kontakt aufzunehmen.

Die karge Landschaft im Norden Kanadas

Immer wieder trifft man auf Flugzeugwracks in der Wildnis

Im Funk hörte ich plötzlich eine Besonderheit, die ich im Moment gar nicht mehr präsent hatte. Der Luftdruck wird jeweils in Hektopascal hPa (Europa) oder in Inch Hg (Nordamerika) angegeben wird. Dies bedeutet, dass ich jede Luftdruckangabe zuerst beim Backup-Höhenmesser – der beide Skalen hat – einstellen, um es dann im Primary Flight Display PFD einzustellen. Wieder flog ich IFR im unkontrollierten Luftraum und da sind schon einige Dinge für uns Mitteleuropäer unklar. So hat mich Montreal Center an den Flugplatz Iqaluit Radio 122.2 weiter gegeben. Denen wollte ich mitteilen, dass ich einen RNAV (GPS)-Anflug machen wollte. Doch der Tower fragte, ob ich dafür eine Clearance von Montreal Center erhalte hätte. Also wieder zurück an Montreal Center, die mich wieder an den Platz verwiesen. Dann habe ich endlich meinen RNAV Anflug bekommen, doch da war ein neues Problem. In allen meinen Unterlagen (Ausgabedatum 18.7.2014) war für Iqaluit von einer Piste 17 die Rede. Der Tower blieb standhaft dabei es sei die Piste 16! Mir wurde es bald zu blöd, denn ich hatte 30 Knoten Seitenwindkomponente ohne Böen und war eigentlich schon mit den bestehenden Problemen bedient genug. Ich landete und rollte dann zum FBO. Dort war eine gewaltige Hektik und ich wusste nicht wieso.

Anflug auf Iqaluit

Nachdem ich die Maschine nach Einweisung durch einen Marshaller abgestellt hatte, standen schon zwei wohlbeleibte Border-Beamte neben der Cirrus. Sie wollten meinen Pass bevor ich ausgestiegen war und ich trug immer noch den Frankenstein. Ich habe darum gebeten mich umziehen zu können. Das wurde unter den wachsamen Augen der Beamtin (!) durchgeführt. RH aus N in Unterhose auf kanadischem Boden kontrolliert von einer runden Grenzbeamtin! Nachdem ich mich wieder angezogen hatte, wurde mein Pass geprüft, dann wollten sie wissen ob ich Lebensmittel dabei habe. An meiner Cailler Nuss waren sie zum Glück nicht interessiert, jedoch an meinen Notrationen. Da darf nämlich kein Fleisch drin sein. Nächste Frage war woher ich komme, wohin ich gehe, wie lange ich bleibe. Auf die Fragen zwei und drei hatte ich schlichtweg keine Antwort und habe den beiden erklärt, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben an einem Tag nicht weiss, was ich am nächsten tun werde.

Hier noch einige Angaben zum heutigen Leg: 506 NM (816 Km), 34 Gal (129 Liter) AVGAS und eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 160 Kn (297 Km/h)

Mittlerweile kamen drei Typen mit einem Gabelstapler der auf einer Holzpalette ein graues Fass transportierte. Das Fass war vollständig von Glykol verschmiert, doch immerhin war eine Pumpe vorhanden. Dabei hatte ich doch extra eine mitgenommen und mein Schwager Dani hat mir sogar einen Schlauch organisiert.

Kurz darauf hat man mir auch erklärt was sie ganze Aufregung sollte. Der neue AIRBUS A350 Prototyp kam direkt nach mir nach Iqaluit für Strecken- und Seitenwindtests. Es war wirklich eine tolle Maschine. Ich machte einige Fotos und dann brachte man mich ins ARCTIC HOTEL.

Da war ich nun und hatte immer noch keine Ahnung, wohin es am nächsten Tag gehen würde. Ich ging zuerst einmal etwas essen und war froh, dass es im Restaurant einen Griechischen Salat gab. Nach all dem Food der letzten Tage schadete dies nichts! Der Hauptzweck meiner Reise war erreicht. Einmal den Atlantik alleine zu überfliegen war ein alter Traum. Was ich dabei nicht bedacht hatte, das war die schöne Nebenerscheinung jeden Tag neu auf mich zukommen zu lassen. Es war sehr anstrengend, doch es konnte nichts auf Wochen im Voraus geplant werden und so lebte ich – irgendwie doch – in den Tag. Die Distanzen hier in Kanada waren riesig, Infrastruktur spärlich und das AVGAS unglaublich teuer.

Ich hatte keine Ahnung was ich vor dem Rückflug noch tun würde und wollte dies aufgrund der Grosswetterlage am nächsten Morgen entschieden. Nicht vergessen durfte ich auch nicht, dass in Grönland die Flugplätze am Sonntag geschlossen sind! Im Hotelzimmer habe ich dann wieder eine Handwäsche gemacht. Das funktionierte mittlerweile sehr gut und so konnte ich den Flieger als Materiallager benutzen und hatte in den Hotels leichtes Gepäck.

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